Über den Dächern, aber mitten in der HipHop-Gegenwart: Projekt Gummizelle, Foto: Fabian Stu?rtz

Anti-Gangster-Rap

Projekt Gummizelle bringen die grauen Zellen zurück in den Deutschen HipHop

 

Deutscher HipHop? Riecht schwer nach 90er Jahren, als Acts wie Absolute Beginner, Eins Zwo oder Sammy Deluxe US-amerika­nische Musikkultur und deutsches Lebensgefühl auf clevere Weise zusammenführten. Und das mit großem kommerziellem Erfolg. Neben den Veteranen der Szene, die – wenn es gut lief – im Pop aufgingen (siehe Jan Delay), waren es vor allem  Berliner Proll-Rapper, die deutschsprachiger HipHop zunächst ins neue Jahrtausend und kurze Zeit später künstlerisch zum Erliegen brachten.

 

Acts wie Projekt Gummizelle beweisen jedoch: Auch bei den Kids des Bildungsbürgertums ist Hip­Hop populär geblieben. Wenn auch eher als Untergrund-Phä­nomen. Niels Freidel, der sich als Rapper RAC nennt, ist eine ­Hälfte des Kölner Duos. Die Begeisterung des Mittzwanzigers für HipHop wurde mit 13 Jahren auf einem Konzert von Dynamite Deluxe geweckt: »Ich musste zwar schon nach dem dritten Lied nachhause ins Bett, der Musik bin ich aber seither treu geblieben.« Bei einer Party traf er 2008 auf seinen Kollegen Kgee, es wurde »besoffen gefreestylet« und direkt beschlossen, gemeinsam ein Album zu machen: »Ich war unglaublich froh, jemanden getroffen zu haben, der nicht wack ist, also nur rumlabert.«

 

Neben der technischen Souveränität in Sachen Rap und Produktion (die beiden basteln die Musik komplett in Eigenregie) ist es vor allem die thematische Vielfalt und der – für HipHop – unkonventionelle Blickwinkel, der ihre Tracks so interessant macht. RAC und Kgee lassen auch düstere, selbstzweiflerische Aspekte in ihre Texten einfließen. In »Take me away« wird beschrieben, wie es sich anfühlt, jeden Abend auszugehen, Party zu machen und sich dennoch allein zu fühlen. Und wenn es lustig wird, dann packt das Projekt Gummizelle nicht die Schenkelklopfer aus, sondern tötet Mr. Oizos gel­bes Electro-Maskot­chen »Flat Erik« oder schildert in einem schwülen Anti-Gangster-Rap den »Samstag in der Hood«, an dem das Verbrechen Ruhetag hat und man auch mal oberkörperfrei ohne Schussweste durchs Viertel schlendern kann.

 

RAC ist es wichtig, HipHop als Kultur zu leben und nicht allein als Rapper wahrgenommen zu werden: »Ich bastle auch die Beats, Kgee kommt ursprünglich vom Sprayen, wir legen großen Wert aufs Selbermachen und drehen auch unsere Videos selbst.« Derzeit arbeiten Projekt Gummizelle an einem ehrgeizigen Projekt: Zu jedem Song auf dem neuen Album soll es ein eigenständi­ges Video geben. Drei davon sind schon fertig und können auf der Band-Website bewundert werden.

 

Tonträger: »Kannste Jeden Fragen«

(LP/Download) wird u.a. über die Homepage vertrieben: projektgummizelle.de