Ganz altmodische Liebe: Kenichi Matsuyama, Rinko Kikuchi

Brutale Leere

Kongeniale Murakami-Verfilmung: Naokos Lächeln

von Anh Hung Tran

Als Toru erfährt, dass sich sein bester Freund Kizuki das Leben genommen hat, bricht für ihn eine Welt zusammen. Die beiden bildeten zusammen mit Naoko, Kizukis Freundin, ein unmögliches und doch in sich harmonisches Dreieck. Naoko und Toru scheinen wie dafür geschaffen, ein­ander Trost zu spenden. Mit ihrem Herzleid wirken sie wie Außerirdische im Tokio der späten 60er Jahre – auch in Japan eine Zeit des Aufbruchs und kollektiven Begehrens nach neuen Erfahrungen. Toru und ­Naoko sehnen sich dagegen nach einer ganz altmodischen Form von Liebe.

 

Haruki Murakamis »Naokos Lächeln« entwickelte sich gleich bei seiner Erstveröffentlichung 1987 in Japan zu einem phänomenalen Bestseller. Millionen von Teenagern identifizierten sich mit der Verwirrung und Verzweiflung der Protagonisten, deren Sehnsucht nach Gefühlen, Furcht vor Nähe und Körperlichkeit, fanden sich wieder in der höchst eigenwilligen Sprache des Buchs. Viele dieser jungen Leser lernten auch Englisch mit dem Buch, dessen ziemlich jazzig-lässige Erstübersetzung durch Alfred Birnbaum 1989 mit Vokabelliste erschien. Was das mit dem Film zu tun hat? Viel, da die Beschaffenheit von Murakamis Sprache der Schlüssel zur Ästhetik von Anh Hung Trans kongenialer Adaption ist.

 

Murakamis Japanisch geht immer wieder bis an die Grenze des grammatikalisch Möglichen. Phasenweise schreibt er so, dass der Text für Japaner einen amerikanischen Klang hat. Es geht um Oberflächenspannungen, um Gefühle befremdlicher Vertrautheit, Geborgenheit in der Verlorenheit, um die schillernde Unbestimmbarkeit der sichtbaren Welt.

 

Der in Vietnam geborene, in Frankreich lebende Anh Hùng Tran ist ein Manierist und Grenzgänger zwischen den Kulturen. Er war genau die richtige Wahl für die Adaption dieses Stoffes, da er allein in den Farben und Kompositionen seiner Bilder lebt. »Naokos Lächeln« ist entsprechend distanziert in seiner präzisen Gestaltung, bisweilen fast marmorgleich. Man rutscht ab an Trans Bildern, den Klangflächen und dem engen Spiel der Protagonisten, nur um plötzlich in einen Spalt zwischen diesen Blöcken zu stürzen, hinein in eine brutale Leere.

 

Naokos Lächeln (Noruwei no mori), J 2010, R: Anh Hung Tran, D: Kenichi Matsuyama, Rinko Kikuchi, Kiko Mizuhara, 133 Min.