Foto: Jörn Neumann

»Den Dschungel lichten«

Viele städtische Gebäude in Köln sind marode. Die Verwahrlosung hat Methode, sagen Frank Deja und Joachim Weiner von der Initiative »Köln kann auch anders«. Bernd Wilberg hat mit ihnen gesprochen

StadtRevue: Herr Deja, Herr Weiner, viele kommunale Bauten – Schulen, Kindergärten, die Depots der Museen – sind in katastrophalem Zustand. Sie kritisieren in einem neuen Dossier auf der Internetseite von »Köln kann auch anders«massiv die Kölner Gebäudewirtschaft. Aber wo ist der Skandal? Fehlt der Stadt nicht einfach das Geld?

Frank Deja: Anlass für uns war der zunächst geplante Abriss des Schauspielhauses. Wir wollten wissen, warum ein Gebäude überhaupt in solch einen Zustand geraten kann. Es entsteht der Eindruck, dass die Stadt nicht nur hier nach dem Schema verfahren ist, für viel Geld errichtete Prestigebauten durch Verzicht auf Instandhaltung verfallen zu lassen und dann lieber spektakulär neu zu bauen, statt die versäumte Sanierung nachzuholen. Das ist ein verantwortungsloser Umgang mit kommunalem Vermögen, also dem Vermögen der Bürgerinnen und Bürger.

Joachim Weiner: Zwar zeichnet für die städtischen Kulturbauten – darunter das marode Schauspielhaus und die Oper – das Kultur-dezernat verantwortlich. Aber die Gebäudewirtschaft ist unter anderem für die vielen sanierungsbedürftigen Schulen und Kitas zuständig. Ich kenne Schulen, die würde ich als Schüler nicht mehr betreten, weil alles dort runtergekommen und ekelhaft ist.

Und woran liegt das?

Weiner: Die Gebäudewirtschaft wurde 1997 als »eigenbetriebsähnliche Einrichtung« gegründet. Der städtische Betrieb startete damals schon mit einem Sanierungsrückstand, heute beläuft er sich auf mehr als 1,1 Milliarden Euro. Das Problem ist, dass die Gebäudewirtschaft nicht nur Immobilien in Stand halten soll, sondern auch Gewinne für den städtischen Haushalt erwirtschaften muss, etwa durch Schulneubauten und deren Baubetreuung. Bei der Gebäudewirtschaft jammert man, es würden dafür rund dreißig Architekten und Bauingenieure fehlen, gleichzeitig akquiriert man sehr personalintensive Aufträge. Ich frage mich, wie kann das sein, wenn die Grundaufgaben nicht erfüllt werden?

Ihr Lösungsvorschlag?

Weiner: Die Gebäudewirtschaft braucht eine Strukturreform. Die Kommunikation läuft sowohl intern als auch mit den städtischen Ämtern, etwa Vergabeamt, Rechnungsprüfungsamt und Bauaufsichtsamt, nicht gut. Es kommt zu Zeitverzögerungen, weil man sich gegenseitig behindert. 

Deja: Und man muss die ursprünglichen Ziele prüfen! 1997 versprach die Stadt größere Nutzerfreundlichkeit, Kostenersparnis, mehr Effizienz, verkürzte Verfahren – warum wird das bis heute nicht erreicht?

Engelbert Rummel, Betriebsleiter der Gebäudewirtschaft, ist aufgrund Ihres Dossiers in die Kritik geraten.

Deja: Man kann die Probleme sicher nicht nur an einer Person festmachen! In den Strukturen liegt das Problem, und die wurden von politischen Entscheidern gestaltet. Die Politik hat Jahrzehnte diesem Gewurschtel zugeguckt!  Es ist komplex. Die Verzögerungen bei den Bauausschreibungen und Sanierungsmaßnahmen und die Zeit- und Geldverschwendungen haben vielerlei Gründe: komplizierte Verfahren, mangelndes Controlling, häufig wechselndes Personal, schlechte Kommunikation, intern und zu den Schulen... Aber solange die Gebäudewirtschaft ihrem Auftrag nachkam, jährlich vierzig, fünfzig Millionen in den städtischen Haushalt abzuführen, interessierte das bislang scheinbar keinen.

Weiner: Ich kenne Fälle, in denen es vom Abschluss der Planung bis zum ersten Spatenstich zwei oder drei Jahre gedauert hat. In Köln wird übergeprüft, damit einem niemand an den Karren pinkeln kann. Jede Kleinigkeit muss mehrfach abgesichert werden. Das kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern sorgt für gehörigen Verdruss bei den Bürgern.

Ist dies nicht der Transparenz geschuldet? Und ist dies nicht notwendig, um Klüngel und Korruption zu verhindern?

Deja: Es ist nicht einfach, Schutzmechanismen gegen Korruption zu entwickeln, ohne dass es manchmal kompliziert und langwierig wird. Aber das kann nicht die Ausrede dafür sein, dass so vieles falsch läuft.

Es heißt, der Stadt fehle Geld für Sanierungen. Sie hingegen sprechen von
Geldverschwendung.


Weiner: Ja, ein typisches Beispiel: Jemand in der Gebäudewirtschaft ist für alle bauästhetischen Fragen zuständig. Funktionale Fragen werden ausgeklammert, und dann wird weiße Farbe aufgetragen, in einer Gesamtschule mit 800 Schülern. Es heißt dann, Verunreinigungen ließen sich abwaschen – aber das geht nur zweimal. Man müsste in diesem Fall eine Graffiti-Schutzbeschichtung wählen, die zunächst teurer, aber letztlich billiger ist, weil nicht ständig neu gestrichen werden muss. Hier brauchen wir ein neues Kostenbewusstsein und eine bessere Planung.

Komplizierte und ineffiziente Strukturen, Geld- und Zeitverschwendung – geht dieser Vorwurf an die gesamte Kölner Stadtverwaltung?

Deja: Köln schleppt ein schweres Erbe mit sich. Seit dreißig, vierzig Jahren wurden Schlüsselpositionen nach dem Gefälligkeitsprinzip vergeben, nach Parteiproporz. Aber natürlich sind nicht alle in der Verwaltung inkompetent, vieles funktioniert. Der Hochwasserschutz ist, ohne dass man viel davon bemerkt hätte, schnell und gut umgesetzt worden. Und bei der Stellenbesetzung scheint sich eine neue, bessere Praxis abzuzeichnen.

Weiner: In Baden-Württemberg etwa arbeiten die Verwaltungen effektiver. Dort wird nach einem kooperativem Modell gearbeitet. Es geht darum, partnerschaftlich und nicht konfrontativ miteinander zu arbeiten. In Köln blockieren sich die einzelnen Verwaltungseinheiten häufig gegenseitig. Solche Blockaden müssen aufgedeckt und aufgelöst werden.

Sie schwärmen von Baden-Württemberg? Dort wird vielfach mit Public Private Partnership (PPP) gearbeitet, das heißt, die Privatwirtschaft übernimmt kommunale Aufgaben. Die Unternehmen streben nach maximalem Gewinn, nicht danach, was für die Bürger am besten ist. Sind Sie für PPP, weil dadurch angeblich alles schneller und effizienter abläuft?

Weiner: Nein! Denn viele dieser Projekte erweisen sich im Nachhinein für die Städte als finanziell ungünstig. Zudem werden die Verträge und die Gewinnmargen der privaten Investoren verschwiegen. Es gibt bessere Finanzierungsmöglichkeiten, etwa Bürgeranleihen. Kleinere Kommunen praktizieren das bereits. Die Bindung der Bürger zu den Bauprojekten ist dadurch viel größer. Es fehlt Köln an politischer Fantasie.

Die Kölner SPD hat als erste Partei reagiert und will das Thema Gebäudewirtschaft auf die politische Agenda setzen – wohl aber auch, weil der Gebäudewirtschaft-Chef Engelbert Rummel ein CDU-Mann ist.

Deja: Ich finde trotzdem, dass das ein Erfolg ist. Wir sind als externe Experten zu einem Fachausschuss der SPD gebeten worden. Dort soll der Evaluierungsauftrag für den Rat formuliert werden. Es ist also etwas in Bewegung gekommen. »Köln kann auch anders« hat sich nach dem Archiveinsturz gegründet, um eine neue politische Kultur zu etablieren. Und da ist etwas ins Rutschen gekommen. So hat die CDU sich seinerzeit dem Bürgerbegehren zum Schauspielhaus angeschlossen, und die SPD hat jetzt eine Evaluierung der Gebäudewirtschaft angekündigt. Das könnte ein erster Schritt sein, den Dschungel zu lichten, klare Strukturen zu entwickeln.

Läuft »Köln kann auch anders« nicht Gefahr, vereinnahmt zu werden?

Weiner: Nein, wir wollen ja mit der Politik ins Gespräch kommen, um mit ihr über strukturelle Verbesserungen im Verwaltungsapparat zu diskutieren und entsprechende Vorschläge dazu machen. 

Deja: Mit allen Fraktionen. Übrigens haben sowohl Herr Rummel als auch der kaufmännische Leiter der Gebäudewirtschaft, der SPD-Mann Axel Rostek, erklärt, weiter als Dialogpartner zur Verfügung zu stehen.