Die Nö-Sager

Josef Haubrich darf nicht sterben: Der späte Protest gegen den Kölner Kunsthallenabriss

»Was machen wir eigentlich, wenn dieser Abend eine positive Wirkung hat?« Niemand hatte sich das vorher überlegt. Nicht einmal seine Organisatoren, die Kölner »Initiative Josef-Haubrich-Forum«. Alle überfiel die Frage erst im Kinosaal des Forums, dem wie der angrenzenden Kunsthalle und dem Kunstverein ab Anfang Juli der Abriss droht.
Solidarisches Kölschtrinken gegen die Planierung des alten Kunstareals am Kölner Neumarkt und ein bisschen Trockel-Video gucken – so hatten sich die dort versammelten üblichen Verdächtigen des Kölner Kunstbetriebs den lauen Junisommerabend eigentlich vorgestellt. Geradeso engagiert wie das ausrufezeichenlose Motto der Veranstaltung: »Nö, nö.« Dann aber gab es plötzlich Pils statt Kölsch. Und überhaupt kam alles anders als erwartet. Im Rohschnitt von Rosemarie Trockels neuer Videoarbeit »Manus Speeln 2« sahen viele, was sie live Mitte Februar im Hof des Forums verpasst hatten: eine »Überraschungsdemonstration« gegen den Abriss der Kölner Kunsthalle mit Udo Kier als lamentierender Protestschreibenvorleser, inszeniert und aufgezeichnet von der Kölner Künstlerin. In der Hauptrolle: die brach liegende Kunsthalle. Nachhilfeunterricht für manche, wie auch die auf das Screening folgende Diskussion. Gegen Stadtsäuberungspolitik wurde da angeredet, mit der der öffentliche Josef-Haubrich-Hof mit seinen noch immer durchaus brauchbaren Bauten einem hermetischen Kulturzentrum weichen und unerwünschtes Publikum wie Neumarkt-Junkies ausgegrenzt werden soll.

Finstere Kahlschlagsanierung

Tatsächlich ist Franz Lammersens verhalten brutalistische, aber nicht erschlagende Kunsthalle mit ihren beiden flexibel bespielbaren Räumen eines der glücklichsten Relikte der 60er Jahre. Auch die zuletzt kaum noch genutzten Veranstaltungssäle des angrenzenden Forums, die sich als großzügige Flachbauten um einen quadratischen Innenhof gruppieren, strahlen noch immer eine einladende Offenheit aus. Nun soll das alles verschwinden und einem unseligen Zentralisierungswillen folgen, der, ganz anders als die Architektur, den unseligen Sound der 70er Jahre erklingen lässt: Finsterste Kahlschlagsanierung.
Die ungenutzten Chancen, den geplanten Neubau eines architektonisch wie konzeptionell nicht eben avantgardistischen Multimuseums doch noch zu verhindern, wurden plötzlich leidenschaftlich debattiert und in spektakulären Prozentzahlen gehandelt, die von der Initiative nun unerwartet Konsequenzen verlangen. Wenn sie es mit Protest und plötzlich entdeckter Urbanismuskritik ernst meint.

Keine Stimme für die Kunsthalle

»Rührend« findet man derweil im Bau- und Kulturdezernat der Stadt Köln Unterschriftensammlung und Protestschreiben der Initiative an Oberbürgermeister Fritz Schramma und Ministerpräsident Wolfgang Clement. Die Abrissgenehmigung für das Forum, den Kunstverein und die Kunsthalle ist zwar noch nicht erteilt und der Bewilligungsbescheid des Landes NRW, ein knappes Drittel der gesamten Neubaukosten in Höhe von 60 Millionen Euro über die Museumsförderung und weitere knappe fünf Millionen Euro über die Städtebauförderung zu übernehmen, noch nicht eingetroffen. Dass der multifunktionale Kulturklotz der Braunschweiger Architekten Schneider und Sendelbach, der inhaltlich nie begründete Synergien zwischen Rautenstrauch-Joest-Museum, Schnütgen-Museum, Kunsthalle, Kunstverein, Museumsdienst, Kindermuseum und der VHS freisetzen soll, das als »Flickwerk« geschmähte Areal aus Einzelbauten ersetzen wird, ist längst beschlossene Ratssache. An Haushaltssperren, Folgekosten und womöglich unzureichend eingeforderte Sanierungszuschüsse, die auch aus dem Museumsförderungstopf hätten kommen können, verschwendet man öffentlich weiter keine Gedanken.
Rosemarie Trockels Aktion jedoch scheint die Ratsherren mehr als nur zu rühren. Sie wurde gebeten, weitere Lobbyarbeit für die Josef-Haubrich-Kunsthalle zu unterlassen. Egal wie künstlerisch sie gemeint ist. Die Institution, die – anders als der Kunstverein oder das Rautenstrauch-Joest-Museum, das in den Neubau einziehen soll – nie eine echte Lobby und ein Jahrzehnt schon keine Leitung mehr hatte, soll auch weiter ohne Stimme bleiben.

Verführung durch Subventionen

Schon früh hatte man das 1967 eröffnete »Schaufenster der Kölner Museen« verbaut und seine geschosshohen Fensterfronten zwischenzeitlich geschlossen. Erst zur Ausstellung »Mai ‘98« durfte man wieder durchblicken. Die Spuren der Verwahrlosung waren ebenso wie die Brauchbarkeit dieser überzeugend schlichten Kistenarchitektur nicht zu übersehen. Licht fiel wieder ausreichend in den White Cube hinter der unscheinbaren grauen Fassade mit ihrem dezenten Ornament.
»Kleiner Aufwand, große Wirkung«, wie sie die ausgestellten Arbeiten von Fischli/ Weiss in dieser Anti-Stararchitektur vorführten. Die man aber zu spät bemerkte. Subventionspolitisch zum Abriss verführt, hat die Stadt Köln die geringer bezuschusste Sanierung der Kunsthalle nicht erwogen. Franz Lammersens Bau wird so wohl der typisch Kölschen Verwechslung von Neubau- mit Museumspolitik zum Opfer fallen. Wie Forum und Kunstverein. Wenn man nicht mehr tut, als nur gegen ihren Abriss anzufilmen. Dass eine Kunsthalle überhaupt noch im Neubau-Plan auftaucht, überrascht ohnehin. Kölns Politiker hielten sie für ein Auslaufmodell. Düsseldorf aber hat die ihre vielversprechend saniert und Bonn beherbergt immerhin die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland. So hat man auch in Köln wohl noch mal nachgerechnet. Dass aber die heimliche Schönheit der nun als Schauplatz wilder Abschlussparties wiederentdeckten Location Steine und Betonköpfe doch noch erweicht, ist unwahrscheinlich.