Wer ist die Schönste im ganzen Land?

Selbstdarstellung und Selbstreflexion: Eine Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum erforscht und veranschaulicht den Wettstreit von Malerei und Skulptur

Begriffe wie Selbstreflexivität, Crossover und Intermedialität charakterisieren zentrale Entwicklungen der Kunst des 20. Jahrhunderts. Dass die Künste über sich selbst nachdenken, ist allerdings kein Phänomen der letzten hundert Jahre, sondern gängige Praxis, seit es Kunst gibt. Und wie kann man trefflicher über das eigene Schaffen reflektieren, als mit dessen Mitteln selbst? In diesem Sinne lenkt die Ausstellung »Wettstreit der Künste« im Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud den Blick auf gemalte, gezeichnete und modellierte Kunsttheorie vom 16. bis 19. Jahrhundert. Rund 200 Exponate zeigen, wie Künstler ihr Tun durchleuchtet und definiert haben: in Gestalt von antiken und christlichen Mythen, in Selbstbildnissen und Allegorien, Atelier- und Akademiebildern, Sammler- und Galerieporträts.

Vergnügen und Belehrung

Die Ausstellung ist in vier Hauptkapitel und zehn Themenkreise gegliedert, wobei sich die Sorge, dass die Theoriebürde den Kunstgenuss zu sehr stört, schnell zerstreut. Die Kuratoren Ekkehard Mai und Kurt Wettengl waren sich bewusst, dass die Balance zwischen »Vergnügen und Belehrung« eine empfindliche ist. Wer weiß schon auf Anhieb, was »Paragone« ist, einer der Kernbegriffe der Ausstellung? Dank prägnanter Erklärungen an den Wänden oder im Begleitheft (der profunde, aber schwergewichtige Katalog ist für den Rundgang ungeeignet) lässt sich schnell herausfinden, dass die Selbstdefinition der Künste seit der italienischen Renaissance zum Paragone (Wettstreit) um die Rangfolge von Malerei und Skulptur geführt hat.
Die ausgestellten Werke, in denen die Künstler für ihre Profession werben, erklären sich zwar in vieler Hinsicht selbst, sind aber mit den erwähnten Hilfestellungen tiefergehend zu verstehen. So wurde die Malerei (Pictura) im 16. und 17. Jahrhundert gerne als Allegorie dargestellt: mal in Gestalt nackter Frauen zusammen mit Poesie und Musik (Hans Rottenhammer d. Ä.), mal als vollbusige Weiber vereint mit Skulptur und Architektur (Bernardo Strozzi). An anderer Stelle zeigt sich die Malerei als junge Kokette neben einem alten Mann, der seinerseits die Zeichnung personifiziert (Guercino), oder auch allein als reife Schönheit, vertieft in den Akt des Malens (Sebastiano Ricci).

Geglücktes Nebeneinander

Dass im Konkurrenzkampf der Gattungen meist aller Glanz auf der Malerei liegt, fällt auf. Zwar hat die Bildhauerei den Vorteil der Dreidimensionalität, mit der sie schon per se die Natur besser nachahmen kann, doch argumentierten die Maler mit dem Reichtum ihrer Farben und den perspektivischen Möglichkeiten, eine Figur im Raum zu veranschaulichen. Der Kupferstich der »Drei Grazien« von Pieter de Jode, nach Peter Paul Rubens, steht der gleichnamigen Bronze von Georg Petel in punkto Lebendigkeit jedenfalls in nichts nach.
Das Nebeneinander von Grafik, Malerei und Skulptur, auch in unterschiedlichen Formaten, erweist sich in jeder Hinsicht als geglückt. Zwar sind in der Schau, die bereits erfolgreich im Münchner Haus der Kunst gezeigt wurde, überwiegend Gemälde versammelt (rund 100), aber die konsequent thematische Hängung verhilft auch den zarteren, einfarbigen Arbeiten zu ihrem Recht. Und wie so oft sind auch hier die größten Bilder keineswegs immer die interessantesten. Aufschlussreich ist beispielsweise eine reiche Auswahl an Bilderfindungen um die Geschichte des antiken Malers Apelles. Diese von Plinius überlieferte Geschichte nahmen viele Maler gerne zum Anlass, den eigenen Berufsstand wirkungsvoll zu verherrlichen (u.a. Joos van Winghe, Giambattista Tiepolo, Angelika Kaufmann und Carlo Carlone). Apelles sollte als Hofmaler Alexander des Großen dessen Geliebte Kampaspe porträtieren. Er muss dieses derart virtuos bewältigt haben, dass der Herrscher dem Maler die Frau zum Geschenk gab und selbst nur deren Bildnis behielt, dessen Schönheit eben nicht vergänglich war.

Spiel mit der Wirklichkeit

Um das Zusammentreffen von Realität und Fiktion, Figur und Abbild, wahrhaftigem Charakter und idealisiertem Kunstprodukt geht es in der Ausstellung in vielen Bildern und Skulpturen, die als Leihgaben aus der ganzen Welt zusammengetragen wurden. Im markanten »Selbstbildnis« des Johannes Gumpp, welches sein Dasein üblicherweise im Depot oder in einem versteckten Kabinett der Uffizien fristet, erscheint der Künstler bzw. sein Bild dreimal: einmal »real« in der Rückansicht vor der Staffelei, einmal auf der gemalten Leinwand und einmal im Spiegel.
Gerade im Spiel mit verschiedenen Wirklichkeitsebenen lässt sich das Wesen der Bildenden Kunst vortrefflich erfassen. Eine Vielfalt an Techniken stand den Künstlern bis ins 19. Jahrhundert dazu freilich noch nicht zur Verfügung: Sie konnten nicht wie Duane Hanson etwa aus Fiberglas täuschend echte, typische Zeitgenossen erschaffen oder wie Tony Oursler lumpige Stofffiguren durch Videoprojektion auf den Köpfen in Mark-und-Bein erschütternde Lebewesen verwandeln.
Da half besonders im 18. und 19. Jahrhundert der antike Pygmalion-Mythos vom wahre Menschen erschaffenden Bildhauer, um mit der Kunst die Natur zu überbieten. Der einzige Wermutstropfen der Ausstellung ist die räumliche Zweiteilung: Das vierte Kapitel des Rundgangs, in dem auch das Pygmalion-Thema präsentiert wird, ist von den übrigen abgeschnitten und befindet sich im dritten Stock. Dem Spaß an den Bildern mit dem verzückten Künstler, dessen Marmorskulptur Mensch und Geliebte wird, tut das keinen Abbruch. Wahrhaftige Schöpfer, die Alten Meister.

Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud, Martinstr. 39, di-fr 10-18, sa-so 11-18 Uhr, bis 25. 8.