Besser hören mit GPS<br>Foto: Manfred Wegener

Digitale Schnitzeljagden

Udo Noll hat das Begehbare Hörspiel konzipiert, Hofmann&Lindholm setzen es für Köln um

Mit dem Zeigefinger über eine Landkarte streichen, kurz an einem Punkt verharren und sich die Welt dort vorstellen: Wer kennt das nicht? Auch wenn man an diesem Ort selbst nie war, vor dem geistigen Auge entstehen Bilder einer Stadt oder einer Landschaft.

 

Dieser imaginierten Orte hat sich der zwischen Berlin und Köln pendelnde Medienkünstler Udo Noll angenommen –  mit seinem Klangprojekt »Radio Aporee«, das er 2007 als Mashup programmiert hat und das Google Maps als klangliche Kartographie nutzt, anwendbar als App für Androids oder auf dem Computer. Über ein Eingabefenster lässt sich nach Plätzen oder Straßen suchen. Anstatt mit dem Finger fährt man hier mit dem Cursor von Ort zu Ort, die als kleine rote Punkte auf der digitalen Karte erscheinen. Klickt man einen an, erklingt ein hinterlegter Sound, den zuvor User mit den entsprechenden Natur- und Umgebungsgeräuschen gestaltet und auf der Website hochgeladen haben.

 

»Die Aufnahmen spiegeln verschiedene, individuelle Eindrücke«, erklärt Noll. »Ein und derselbe Ort kann mehrdeutig klingen, je nachdem was die Aufnehmenden subjektiv erlebt haben.« Anders als bei den Google-Diensten, bei denen Nutzer Orte auf 360°-Panoramabildern als total real erleben sollen, geht es Noll um die individuelle Interpretation der Beziehung zwischen Raum und Geräusch. Bis zu drei Soundspuren lassen sich mixen. Mittlerweile haben sich experimentelle Hörminiaturen entwickelt, die sich via GPS an den unterschiedlichsten Punkten dieser Welt abrufen lassen. Sie liegen für alle zugänglich als akustische Szenarien bereit oder wie Udo Noll sagt »alles um einen herum ist Radio.«  

 

Diese Form des »begehbaren« Hörspiels hat auch Künstlergruppen auf den Plan gerufen. Die Technologie erfordert allerdings ein anderes dramaturgisches Denken. Denn der Hörer ist hier immer auch Performer, dessen Bewegungen im GPS-Radius eine große Rolle spielen. Was passiert zum Beispiel, wenn er falsch abbiegt oder unvorgesehen stehenbleibt? Wie reagiert er auf die Anwesenheit von Schauspielern im Stadtraum? Die einzelnen akustischen Szenarien müssen so zusammengebracht werden, dass sie darauf reagieren und in verschiedenen Richtungen und Geschwindigkeiten funktionieren. Eine Herausforderung, der sich drei Künstlergruppen in dem Projekt »Radio-ortung« gestellt haben.

 

Im Auftrag von Deutschlandradio Kultur haben sie Handyhörspiele im Stadtraum entwickelt, die mobiles Internet und GPS-Ortung nutzen. Den Anfang machte im September in Berlin LIGNA mit »Verwisch die Spuren!«, dann folgte im Mai R-imini-Protokoll mit ihrem Beitrag »50-Akten-Kilometer«. Hofmann?&?Lindholm werden mit ihrem »Archiv der zukünftigen Ereignisse« jetzt die Reihe in Köln beschließen.