Foto: Manfred Wegener

Die Zukunft archivieren

Hannah Hofmann und Sven Lindholm im Interview

 

StadtRevue: Was hat euch an der Form des »begehbaren« Hörspiels interessiert?

 

Hannah Hofmann: Die Idee, uns in den Stadtraum mit akustischen Inszenierungen einzuschreiben, ihn als Bühne zu nutzen. 

 

Sven Lindholm: In Köln gibt es natürlich den Bezug zum Stadtarchiv. Uns haben Methoden und Verfahrensweisen eines historischen Archivs interessiert, die Geschichte verarbeiten. Allerdings ist unsere Sammlung kein dokumentarisches Archiv, das zurückblickt, sondern ein Stadtarchiv, das vorausschaut. Dafür haben wir den Begriff  des »Pre-enactments« gefunden. Als eine Variante des Inszenierens historischer Ereignisse. Wir haben aber nicht nur zukünftige Geschehen, die sich im öffentlichen Leben abspielen, gesammelt, sondern auch solche von Privatpersonen.

 

Wie kann ich mir das konkret vorstellen?

 

Lindholm: Zum Beispiel wird  im nächsten Jahr die Zentralmoschee in Ehrenfeld eröffnet. Wir haben daher Jürgen Roters, Paul Böhm, den Architekten, den Bezirksbürgermeister Herrn Wirges und Ayse Adyn, die den türkischen Bauherren DITIB vertritt, gebeten, ihre Reden zur Einweihung für unser Archiv vorwegzunehmen und selbst einzusprechen. Der montierte Soundtrack orientiert sich an dem zu erwartenden Szenario. Er ist realitätsnah. 

 

Ihr inszeniert Dokumente für die Zukunft? 

 

Hofmann: Es geht nicht allein darum zu dokumentieren, was die Zukunft bringt, sondern auch um einen schnellen Wechsel der Perspektiven aus Sicht der handelnden Protagonisten. D.h. Herr Roters reflektiert sich innerhalb des vorweggenommenen Moments, ebenso wie alle anderen rund fünfzig Menschen, mit denen wir versucht haben, uns vorzustellen, was sie in einem bestimmten Moment, an einem bestimmten Ort denken, sagen und tun. Die in unserem Archiv versammelten Geschichten spiegeln eher unsere Gegenwart wider, als dass sie die Zukunft beleuchten. Da wir hierbei immer nur vom jetzigen Stand des Wissens und Denkens ausgehen können. 

 

Wie funktioniert der Ablauf?

 

Hofmann: Die Zuschauer werden im Schauspiel Köln mit Smartphones und Kopfhörern ausgestattet und bewegen sich auf eigene Faust durch die Innenstadt. Sobald sie mit GPS an einem bestimmten Punkt geortet werden – beispielsweise, wenn sie vor der Moschee stehen – werden die entsprechenden Soundfiles aktiv. Es gibt cirka vierzig Vorwegnahmen zu entdecken, in denen Gegenwart und Vorhersage ineinanderlaufen – darunter auch die Abschiedsrede von Karin Beier oder die Eröffnung des Neuen Historischen Stadtarchivs.