Foto: Manfred Wegener

Erschütternde Bilanz

Die Kölner Messe ist tief in die roten Zahlen gerutscht. Auch, weil die Stadt Köln dem Oppenheim-Esch-Fonds eine viel zu hohe Miete überweist. Das Geschäft gilt als rechtswidrig, doch die Stadt zahlt weiter. Ein Kommentar von Georg Wellmann

 

Es geht um Korruption, um rechtswidrige Verträge, um beihilfe- und kommunalrechtliche Verstöße – und es geht um eine dreistellige Millionensumme, für die der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Der Kölner Messe-Skandal bietet ein wahres Potpourri an Rechtsverstößen. Seit gut sechs Jahren bemühen sich Staatsanwaltschaft und Europäische Kommission Licht in das dubiose Geschäft rund um den Bau der neuen Messehallen zu bringen. Doch das hält die Stadt Köln nicht davon ab, weiterhin an dem rechtswidrigen Deal festzuhalten.

 

Die Bilanz ist erschütternd. Die KölnMesse hat im vergangenen Jahr einen Rekordverlust von mehr als 34 Millionen Euro hinnehmen müssen. Vor allem die horrenden Mieten an den Oppenheim-Esch-Fonds, den Eigentümer der vier ­neuen Nordhallen, haben die Messegesellschaft erneut tief in die roten Zahlen getrieben. Dabei hatte der Europäische Gerichtshof bereits 2009 die Rechtswidrigkeit des Messeneubaus festgestellt, weil der Bauauftrag ohne jede Ausschreibung an den Oppenheim-Esch-Fonds vergeben wurde. Erst nachdem die EU mit einem Zwangsgeld in Millionenhöhe drohte, wurde der Mietvertrag 2010 gekündigt.

 

Interimsvereinbarung statt Mietvertrag

 

Inzwischen hat sich die Stadt Köln auf ein dubioses Umgehungsgeschäft mit den Investoren geeinigt: Der neue Mietvertrag heißt jetzt »Interimsvereinbarung«. Statt der ursprünglichen Jahresmiete von 20,7 Millionen Euro zahlt die Stadt eine »Nutzungsentschädigung«, die ab 2012 mit knapp 15 Millionen Euro zu Buche schlägt. Ein vorliegendes Wertgutachten lasse den Schluss zu, dass diese Summe »durchaus marktnah ist«, führte Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD), auch Aufsichtsratsvorsitzender der Messe, anlässlich der Bilanzpressekonferenz am 20. Juli aus. Doch ist eine Miete von rund 15 Millionen Euro wirklich »marktnah«?

 

Das 93-seitige Wertgutachten, auf das Roters sich beruft, hat bislang noch kein Ratsmitglied offiziell zu Gesicht bekommen. Wohl nicht ohne Grund. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hatte das Gutachten im April 2011 für die Stadt erstellt. Die Wirtschaftsprüfer berufen sich bei ihrer Wertermittlung auf »wesentliche Vereinbarungen des Mietvertrages vom 6. August 2004« – und damit ausgerechnet auf jenen Mietvertrag, dessen Rechtswidrigkeit der Europäische Gerichtshof bereits am 29. August 2009 festgestellt hatte.

 

Jahresmiete von fast 15 Millionen Euro

 

Laut des PwC-Gutachtens sollen die neuen Messehallen inklusive Grundstück 252,5 Millionen Euro wert sein. Die Summe verwundert. Denn selbst nach den internen Investitionskosten des Oppenheim-Esch-Fonds – etwa mit Baukosten von rund 148 Millionen Euro und einem Grundstückskaufpreis von rund 67 Millionen Euro – beläuft sich der Wert auf lediglich 215 Millionen Euro.

 

Wie kommt es zu dieser Differenz? Immobilienexperten vermuten, dass die PwC-Wirtschaftsprüfer mindestens vierzig Millionen Euro der überteuerten Baunebenkosten des Oppenheim-Esch-Fonds – etwa Kosten für Mietervermittlung und Projektentwicklung – in die Berechnung haben einfließen lassen. Auf Grundlage ihrer überhöhten Wertermittlung errechnen sie so eine Jahresmiete zum 1. August 2010 von 14,9 Millionen Euro.

 

Warum wurde kein unabhängigen Sachverständiger mit dem Gutachten betraut?

 

Der Immobilienexperte Professor Dr. Klaus Feinen bezweifelt vehement, dass diese Miethöhe angemessen ist. Er geht von Bau- und Grundstückskosten von höchstens 210 Millionen Euro aus. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Verzinsung kommt Feinen so auf eine Jahresmiete von nur 7,35 Millionen Euro. Die Stadt zahlt also eine fast doppelt so hohe Miete an den Oppenheim-Esch-Fonds als notwendig wäre – und begründet das mit einem Wertgutachten von PwC, das sich auf einen rechtswidrigen Vertrag beruft.

 

Dieses Gutachten war von der Stadt Köln in Auftrag gegeben worden, weil die EU-Kommission derzeit auch ein Verfahren wegen »mutmaßlicher rechtswidriger Beihilfen im Zusammenhang mit dem Verkauf der alten Rheinhallen und Neubau der Nordhallen« führt. Man muss sich allerdings fragen, warum die Stadt nicht – wie von der EU-Kommission gefordert – einen unabhängigen Sachverständigen mit dem Gutachten betraut hat, sondern PwC. Denn ausgerechnet diese Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist mit der Investorenseite geschäftlich verbunden.

 

Beauftragung von PwC durch die Stadt stellt klare Interessenkollision dar

 

Wie das? Als Initiator des Messeneubaus trat nicht nur der Oppenheim-Esch-Fonds auf, sondern auch die Sparkasse KölnBonn. Die Sparkasse hat nicht nur den Kredit für das Bauvorhaben gegeben, sondern war unter anderem auch an der Projektentwicklung beteiligt.

 

Zudem ist die Sparkasse KölnBonn in das »Rheinhallen«-Projekt auf dem alten Deutzer Messegelände finanziell involviert. Mit einem Gutachten für eben jene »Rheinhallen«, in denen heute RTL und HDI Gerling residieren, hatte die Sparkasse bereits im Oktober 2007 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC beauftragt.

 

Und auch das Bankhaus Sal. Oppenheim – das mit dem Troisdorfer Baulöwen Josef Esch den ominösen Fonds aufgelegt hat – unterhält geschäftliche Beziehungen zu PwC. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wird von Sal. Oppenheim regelmäßig als Abschlussprüfer einiger Tochterunternehmen engagiert. Die Beauftragung von PwC durch die Stadt stellt dadurch eine klare Interessenkollision dar. Doch daran stört sich die Stadtverwaltung nicht, sie hat inzwischen das Wertgutachten an die EU übersandt.

 

Dubiose Marktabfrage durch Ernst & Young

 

Da drängt sich die Frage auf: Hat die Stadt die Interessenkollision einfach nur übersehen oder steckt mehr dahinter? Auffällig ist jedenfalls, dass es bereits bei der Planung des Nordhallen-Projekts zu einem ähnlichen Interessenkonflikt gekommen ist. Im Oktober 2003 wurde nämlich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young mit einer sogenannten Marktabfrage beauftragt. Das Unternehmen sollte eine Auswertung verschiedener Angebote von Investoren zur Finanzierung der neuen Messehallen vornehmen, darunter auch das Angebot des Oppenheim-Esch-Fonds.

 

Dabei war das Tochterunternehmen von Ernst & Young, die Projektsteuerungsgesellschaft Prof. Weiss & Partner, nicht nur seit Jahren Geschäftspartner der Oppenheim-Esch-Gruppe, sondern hatte auch einen Auftrag als Projektsteuerer für den Messeneubau erhalten. Die letztendliche Auswahlentscheidung für den Inves­tor der Nordhallen lag bei der Stadt Köln. Und die sorgte dafür, dass schließlich nur noch mit dem Oppenheim-Esch-Fonds weiter verhandelt wurde und dieser auch den Zuschlag für das Bauvorhaben erhielt.

 

Seit 2007 kontinuierlich zweistellige Millionenverluste

 

Das Geschäft mit dem Oppenheim-Esch-Fonds kommt die Messe, an der die Stadt mit achtzig Prozent und das Land NRW mit zwanzig Prozent beteiligt sind, teuer zu stehen. Seit 2007 wurden kontinuierlich zweistellige Millionenverluste geschrieben, insgesamt bislang rund achtzig Millionen Euro. Doch Oberbürgermeister Roters übt sich in Optimismus. »Eine nachhaltige Rückkehr der Koelnmesse in die Gewinnzone wird auch langfristig dafür sorgen, dass die städtischen Finanzen nicht belastet werden. Bisher, dass will ich ausdrücklich betonen, haben negative Ergebnisse der Koelnmesse nicht die städtische Kämmerei getroffen, sondern wurden aus dem Eigenkapital des Unternehmens getragen«, sagte er anlässlich der Bilanzpressekonferenz.

 

Was Roters verschweigt: Die Stadt hatte 2008 das Eigenkapital der Messe mit einer Bareinlage um 22,7 Millionen Euro erhöht und außerdem die Mietzahlungen durch den überteuerten Rückkauf von Erbbaurechten der Messe in Höhe von rund sechzig Millionen Euro subventioniert. Der Messe-Deal kommt also auch den Steuerzahler teuer zu stehen. Bereits bevor der Rat im Dezember 2003 der Vergabe des Nordhallen-Projektes an den Oppenheim-Esch-Fonds zugestimmt hatte, hatte sich die Stadt Köln in einem »Letter of Intent« dazu verpflichtet, nach dem Jahr 2012 die Mietzahlungen für die klamme Messe zu übernehmen, sollte diese dazu nicht mehr in der Lage sein.