Generation Schmalfilm: Elle Fanning, Joel Courtney

Schau mir in die Augen, Monster

Zurück in die Kindheit: J. J. Abrams über Super 8,

sein Vorbild Steven Spielberg und die Kunst der Vorent­haltung

 

StadtRevue: »Super 8« ist für einen Mainstream-Film in Erzählung und visueller Gestaltung ungeheuer konzentriert. Hat das mit der Zeit zu tun, in der die Geschichte spielt?

 

J. J. Abrams: Es gab tatsächlich Momente am Set, in denen ich dachte: Normalerweise würde ich jetzt eine Kamerabewegung einbauen, aber zu der Zeit, in der der Film spielt, passen ruhigere Einstellungen besser. Das heißt aber nicht, dass wir den visuellen Stil der 70er Jahre nachahmen woll­ten. Wir haben ja auch mit einer Menge digitaler Effekte gearbeitet. Wir wollten den Geist dieser Zeit einfangen, ohne uns durch dogmatische Verbotein unseren filmischen Ausdrucksmöglichkei­ten zu beschränken.

 

Steven Spielberg hat den Film produziert. Einige Szenen in »Super 8« verneigen sich deutlich vor seinen frühen Werken wie »E.T.«. Wie schwer ist die Gratwanderung zwischen Hommage und Kopie?

 

Die Hommage war hier eher ein Nebenprodukt. Ich wollte einen Film machen, der im Regal neben den alten Spielberg-Filmen bestehen kann. Dabei ging es mir jedoch weniger ums Zitieren oder Kopieren. Vielmehr wollte ich einen Film machen, der das Gefühl wiedergibt, das ich habe, wenn ich an meine Kindheit zurückdenke. Und die wurde nun mal von seinen Filmen stark beeinflusst.

 

Sie hatten schon als Jugendlicher mit Spielberg zu tun und haben seine alten Super-8-Filme restauriert.

 

Ja, mit 15 habe ich ein Super-8-Filmfestival in Los Angeles mitorganisiert. Steven Spielberghatte darüber in der Zeitung gelesen und seine Assistentin rief uns an, ob wir interessiert wären, seine Super-8-Filme zu restaurieren. Da­mals gab es ja noch keine DVDs und das filmische Werk eines Regisseurs war nicht so leicht zugänglich wie heute. Für uns war es ein Privileg, die ersten filmischen Gehversuche eines Regisseurs wie Spielberg sehen zu können. Natürlich waren seine Super-8-Filme viel besser als unsere, aber es war sehr anregend für uns zu sehen, dass ein Mann wie Steven Spielberg auch einmal klein angefangen hat.

 

Heute drehen Teenager nicht mehr auf Super 8, sondern mit iPhone oder Camcorder. Das sind technische Möglichkeiten, von denen Sie damals nur träumen konnten.

 

Ja, man kann ganz schön neidisch werden, wenn man sieht, welche Möglichkeiten die Kids heute haben. Die Super-8-Kameras hatten nur ein festes Objektiv ohne Zoom. Das Filmmaterial war sehr teuer. Es dauerte eine Ewigkeit, bis die Filme entwickelt waren und beim Schneiden gab es keine »Rückgängig«-Taste. Aber weil das Material so teuer war, waren wir gezwungen genau darüber nachzudenken, was wir machen wollten. Vielleicht hat sich das ausgezahlt, weil man gelernt hat, auf Dinge zu achten, die heute oftmals mit weniger Sorgfalt behandelt werden. Wenn man Filmmaterial schneidet, wägt man genau ab, wo man den Schnitt setzt. An einer digitalen Schnittanlage geht alles so schnell, dass kaum noch Zeit zum Nachdenken ist.

 

Sehr sorgfältig wird der Auftritt des Monsters in »Super 8« vorbereitet, von dem man lange Zeit kaum etwas zu sehen bekommt. Wie wichtig ist die Kunst der Vorenthaltung?

 

Ich wollte, dass dieses Wesen durch die Augen der Protagonisten gesehen wird. Die Wahrnehmung des Monsters soll eine subjektive Erfahrung sein. So sieht man zunächst nur kleine Aus­schnit­te, und wenn der Junge schließlich dem Monster von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, ist es nicht mehr angst­ein­flößend, sondern ein Wesen, dem man in die Augen schauen kann. Das Monster ist auch eine Metapher für den Verlust, den der Junge durch den Tod seiner Mutter erlitten hat. Ein Kind fühlt durch die Art, wie seine Mutter es ansieht, dass es existiert. Deshalb sind die Augen, mit denen das Mons­ter den Jungen am Ende anschaut, auch die Augen der Schauspielerin, die die Mutter gespielt hat.

 

Mit gezielter Vorenthaltung wurde auch die Werbekampagne von »Super 8« geführt. Über keinen anderen Film in den letzten Jahren wusste die Öffentlichkeit so lange so wenig. Warum diese Geheimniskrämerei?

 

Wenn man heute einen Trailer anschaut, hat man danach oft das Gefühl, schon den ganzen Film gesehen zu haben. Dann geht man ins Kino und denkt: Ja, genau so habe ich mir das vorgestellt. In diesem Film haben wir keine Stars, keine Comic-Figur, die alle schon kennen, es ist keine Fortsetzung, es gab keine Bestsellervorlage. Außer Steven Spielbergs Namen auf dem Filmplakat hatten wir nichts Werbeträchtiges in der Hand. In so einer Situation wäre es ein besonders großer Fehler, im Trailer schon alle Karten auf den Tisch zu legen. Nun leben wir in einem Zeitalter, in dem alle Informationen jederzeit sofort verfügbar sind. Und die Leute sind beleidigt, wenn sie nicht alles wissen können, wann auch immer sie es wissen wollen. Aber für mich geht es im Kino um die, in­di­vidu­elle Erfahrung. Einen Film anzusehen ist ein sinnliches Erlebnis, das sich stark davon unterscheidet, nur zu wissen, worum es in dem Film geht. Durch das Vorenthalten bestimmter Informationen wollen wir dem Publikum den Spaß am Film bewahren.