Niedlich und ­beschädigt

Locas in Love vereinen Liebe und Kapitalismus-Ekel

Wuschelköpfe, Schlafzimmergitarren, schwimmende Kleintiere. Gerade Indiepop in der Interpretation von Locas In Love steht per se unter Gefälligkeitsverdacht. Unter dem Verdacht, einfach nur eine gute Zeit und ein bisschen Wehmut zu paraphrasieren, um der eigenen Klientel den Druck des Modul-Studiums abzufedern. Ein solches Ansinnen mag auch gar nicht verwerflich sein, zumal ja selbst bei Herrenrockbands wie Jupiter Jones oder Kettcar nichts anderes mehr zu gelten scheint als Trost und Befindlichkeit. Pop sagt mittlerweile eben kaum mehr als »Halt durch« oder »Steh auf, wenn Du am Boden bist«. Das mag man frustrierend finden – bloß verleugnen lässt es sich nicht.

 

Hier kommen Locas In Love ins Spiel. Das Ehepaar Sonnenberg-Schrank und Jan-Niklas Jansen. Statt dass die drei Wahl-Kölner diesem verjammerten Zirkus auch noch ein paar honigsüße Akkorde und Sprechblasen hinzufügen, gehen sie mit dem neuen Al­bum »Lemming« ganz lässig an die Schmerzgrenze. Und erzählen erfrischend unerbaulich davon, wie einem ein Zug entgegenkommt oder wie es ist, wenn man ernsthaft mit seiner Kunst hadert. Das Ganze verpackt in Panorama-Indie-Pop voller Ideen und Details.

 

Moment mal, kommt einem dieses U-Boot-Prinzip nicht bekannt vor? Richtig, Locas In Love, das war vor ein paar Jahren auch die Keimzelle der Band Karpatenhund. Die dann man mit reizvollem wie bubblegummig getarntem Inhalts-Pop sogar in die Charts wollte – und kam. Karpatenhund ruhen nun allerdings, mit der zweiten Platte hatte sich die Band nämlich verzockt – und den Mitpfeif-Anteil zugunsten von Schwermut zu auffällig gedrosselt. Charts und Indie-Fame blieben aus. Jetzt hat man wieder Zeit für die Hauptband.

 

Hört man »Lemming« (das Cover hat wieder die auch als bildende Künstlerin aktive Stefanie Sonnenberg-Schrank gestaltet), kann man zu dieser Konzentration nur gratulieren. Ist doch kaum etwas aufregender als Songs, die so ­gro­ße Brücken zu schlagen wissen, dass sie von Liebe zu Hass, von Freundschaft zu Kapitalismus-Ekel reichen. Sänger, Songschreiber und Gitarrist Björn weiß darum, schließlich ist nichts Zufall hier: »Ein Liebeslied sagt im besten Falle gleichzeitig: ›ich liebe dich sehr, du bist ein guter Freund‹ und ›ich fürchte den Weltkapitalismus und hasse ihn von Herzen‹ genauso wie ›unsere Freund­schaft ist ein kurzes Ausscheren aus jenem Weltkapitalismus‹. Positivistischer Haß und radikale Liebe vereint in einer guten Melodie.«

 

Locas In Love – mittlerweile Labelmates von Acts wie Christiane Rösinger, Andreas Dorau oder Ja,Panik – besitzen eben Talent zum Popsong, haben zudem aber den Mut, jenes nicht dem Imperium der alles zukleisternden Erbaulichkeit zu widmen. Bei Locas In Love fürchtet man sich nicht, ­Gefälligkeiten zu verweigern und Gewissheiten zu beschädigen.

 


Tonträger: Locas In Love, »Lemming« (Staatsakt / Rough Trade)