Überraschend unglaublich überlegen

Das erfolgreiche Fußball-Mädchenteam des TuS Köln rrh. sucht gleichwertige Gegner – bislang erfolglos

Sportpark Köln-Höhenberg, Samstagnachmittag, kurz nach drei – Fußballzeit. Auch für die 13-jährige Isabella und ihre elf Teamkolleginnen (einschließlich Auswechselspielerin) von der U 14 des TuS Köln rechtsrheinisch. Ihr vorletztes Ligaspiel ist angesagt, ein entscheidendes: Wenn die Mädchen gewinnen, ist ihnen Platz eins in der Kreisliga sicher. Die Gegner kommen aus einem Leverkusener Vorort, es sind die Jungs vom FC Rheindorf.
Jawoll, richtig gelesen: Die Jungs. Die Mädchen des TuS rrh. spielen seit letztem Sommer gegen Jungenmannschaften, weil sich keine Mädchenteams mehr fanden, gegen die sie antreten konnten. Der Mädchenfußball steckt in einer Krise, seit zwei Jahren gehen Spielerinnen- und Mannschaftszahlen deutlich zurück. Sabine Linden, Mädchenbeauftragte des Fußballverbandes Mittelrhein (FVM), sieht die Gründe hauptsächlich in der geringen Medienpräsenz des Frauenfußballs: »1999 mit der fernsehmäßig grandiosen WM in den USA, das war der Höhepunkt des Frauenfußballs in Deutschland. Danach ist unser Sport wieder im Niemandsland verschwunden und wurde für die jungen Mädchen uninteressant.«

Frauenschwund

Zahlen belegen die These: Spielten im Kreis Köln im Jahr 2000 noch 822 junge Frauen Fußball, waren es im Jahr darauf nur noch 419. Jetzt ist die Lage noch schlimmer geworden. Vor allem bei den Jüngsten, wie Frank Schätzle, Trainer der U 14 des TuS Köln rrh., beklagt: »Letzte Saison hatten wir wenigstens noch eine Mädchenliga mit fünf Teams. Dieses Jahr ist außer uns keine einzige Mannschaft mehr gemeldet.« Frustrierend für die Mädchen, sollte man meinen. Doch Isabella, die Spielführerin des TuS sieht das anders: »Ich bin froh, dass wir dieses Jahr gegen Jungs spielen konnten. Das ist anstrengender. Letztes Jahr war es für uns langweilig. Gegen die anderen Mädchen war es viel zu leicht zu gewinnen.«
Beim TuS hatte man zuletzt keine Probleme, eine »Mädchenmannschaft« zusammenzubekommen. Aus dem gesamten Kölner Stadtgebiet liefen dem Klub jene Spielerinnen zu, deren letzte Vereine die Mädchenteams aufgelöst haben. Wie Spielführerin Isabella, die bis vor 16 Monaten für den TSV Merheim auf Torjagd gegangen ist. Aus der großen Auswahl von Spielerinnen hat sich Trainer Schätzle die besten rausgesucht, dementsprechend stark ist seine »Stadtauswahl«. So stark, dass sie auch den Jungs überlegen ist. Zwei Unentschieden gab es im Saisonverlauf, ansonsten gewannen Isabella & Co. alle Spiele. Eine Demütigung für die »Herren«, sollte man meinen, doch zur Ehrenrettung sei angemerkt: Die Jungs waren jünger. Denn man hatte die 13-jährigen Mädchen in eine Liga von Zwölfjährigen einsortiert – um »Chancengleichheit« herzustellen. So kann man sich irren.

Inoffizielle Sieger

Am vorletzten Spieltag allerdings tun sich Isabella und ihre Mitspielerinnen gegen den FC Rheindorf schwer. Im Hinspiel beim 9:1 chancenlos, entpuppen sich die Jungs diesmal als weitaus härtere Gegner. Sich mit kessen Sprüchen (»Geh mal richtig ran, ist doch nur ein Mädchen«) Mut machend, halten die spielerisch unterlegenen Rheindorfer zur Halbzeit ein 0:0. Interessant sind die unterschiedlichen Spielauffassungen der Teams: Während die Jungs gern den Zweikampf suchen, viel dribbeln und sich auf direktem Weg zum Tor »durchzuwurschteln« versuchen, pflegen die Mädchen eher das Pass-Spiel. Spielen lieber einen sicheren Ball quer, als einen risikoreichen in die Spitze. Was merklich zu Lasten der Torgefahr geht. Doch bevor Trainer Schätzle am Spielfeldrand graue Haare kriegt, schlagen seine Mädchen doch noch zu: Kurz vor Schluss gelingen zwei schöne Tore, und der 2:0-Sieg steht fest.
Die Liga-Meisterschaft ist damit gesichert, auf offizielle Glückwünsche oder gar eine Urkunde müssen die Mädchen indes verzichten. »Wir spielen nur inoffiziell in der Liga mit, können also auch nicht aufsteigen«, sagt Frank Schätzle. Ohne Titel werden die TuS-Mädchen die Spielzeit aber höchstwahrscheinlich nicht beenden. Im Pokalwettbewerb hatten sich eine Hand voll Mädchenteams gemeldet, hier steht der TuS im Endspiel. Ebenso wie im Finale der Meisterrunde, für das sich das Team kampflos qualifizierte, weil es keine Gegner gab. Für das Endspiel hat sich Grün-Weiß Brauweiler, einst Meister in der Damen-Bundesliga, überreden lassen. In diesen Spielen werden Siege erwartet. Niederlagen wollen die Mädchen vom TuS Köln rrh. erst wieder akzeptieren, wenn es nächstes Jahr in einer Liga gegen gleichaltrige Jungs geht.
Olaf Jansen