Widerstand zwecklos

Roberto di Bella hört im Phantasialand Stimmen aus dem Jenseits

Nein, Schloss Augustusburg gehöre noch nicht zum Freizeitpark, versichere ich einem japanischen Pärchen, das mich nach dem Weg fragt, als wir in Brühl aus dem Regionalexpress Richtung Koblenz aus- und in den Bus einsteigen. Es ist der 31. März 2002 und Saisonbeginn im Phantasialand, der 35. mittlerweile. Das Wetter ist ziemlich trüb und die Kassen liegen einigermaßen verwaist, als ich mit Fraser, meinem Osterbesuch aus England, dort ankomme. Ich will ihm keinen dumpfen Spaß, sondern sozusagen ethnologische Erkenntnisse über die Freizeitrituale des Rheinländers vermitteln, im Auftrag eines »very important german cultural-magazine«, so gebe ich ein wenig an. Nach 15 Jahren bin ich das erste Mal wieder hier. Als Kind hatten für mich die Ausflüge ins Phantasialand immer etwas Verheißungsvolles, hatte den Ort ein Hauch von Geheimnis umgeben. Allerdings: wenn man wie ich aus Gummersbach kommt, ist alles jenseits des großen Flusses irgendwie verheißungsvoll.

Plüschmäuse mit Ostblockcharme

»Alt-Berlin« liegt nun vor uns ausgebreitet. Mit putzigen kleinen Brunnen und Caféhäusern, dazwischen Riesenplüschmäuse, die sich geduldig von Kindern am Schwanz ziehen lassen, während in der Ferne das Imitat des Brandenburger Tors (Gussbeton, Maßstab 1:2) aufscheint. Wir fangen langsam an, mit der Gondelbahn »1001 Nacht«. Eine mehr als beschauliche Fahrt durch Szenerien aus mechanischen Marionetten. »The veneer peels off«, bemerkt mein Begleiter etwas spöttisch. Nun ja, der Lack blättert in der Tat schon hier und da ab und die Protagonisten wirken etwas müde. Kein Wunder, nach Jahrzehnten im Dienste der rheinischen Volksbelustigung. Trotzdem schickt man sie nicht in Rente. Irgendwie sympathisch. Auch wenn manche Attraktionen nach Frasers Ansicht so aussehen, als hätte der Ostblock versucht Disney World zu kopieren. Erst nach der Fahrt mit einer der Achterbahnen beginnen seine Augen etwas zu leuchten.
Wir schlendern weiter, kommen schließlich zum »Großen See«. Früher lieferten sich hier Piraten heiße Schlachten, konnte man im Tretboot an echt künstlichen wilden Tieren vorbeischippern. Heute verirrt sich kaum jemand hierher. Ein Schild warnt: »Vorsicht Sumpf!«. Dabei ist dies die historische Keimzelle des Ganzen. 1966 hatten Richard Schmidt, Leiter eines Marionettentheaters, und der aus einer Schaustellerfamilie stammende Gottlieb Löffelhardt die Idee, ausrangierten Puppen und Fernsehkulissen in einem Märchenpark ein neues Zuhause zu geben. Zu den ersten Attraktionen gehörten deshalb auch kleine Grotten mit sprechenden Märchen- und Mythenszenen.

Geistige und körperliche Verbiegungen

Doch was man hier neben Grimms Märchen hört, ist so kurios, dass es der Nachwelt überliefert werden sollte. Auf Schloss Schreckenstein spricht ein Frauenkopf, der auf einem Metallgestell steckt und stark an die Borg-Königin aus Star Trek erinnert, folgende denkwürdigen Worte (während sich ein notorisch verrückter Wissenschaftler am Rest ihres Körpers zu schaffen macht): »Halt, ihr Leute. Hört aus der Ferne die Stimme des Jenseits. Wenn ihr in die Welt zurück geht, vergesst den Hass und die Rache. Denkt nur an das Leben. Das Leben ist so kurz. Es ist unnütz, Gefühle zu haben. Spart euch die Mühe. Denkt nur an das Leben. Im Schmerz ist die Welt oft dunkel. Doch dann wird sie wieder hell und klar, wie das Morgenlicht. Überlegt euch meine Worte gut. Und jetzt geht.« O-Ton. Ich schwöre euch. Jeder Buchstabe. Fraser kann es bezeugen. Resistance is futile. Ein pädagogischer Urknall.
Wir verlassen die Unterwelt des Freizeitparks und sinken am Ende des Tages, erschöpft doch erkenntnisgesättigt, in die roten Plüschsessel einer Varietéshow, lassen uns noch eine Stunde lang von chinesischen Seilakrobaten unterhalten, deren Verbiegungen auch Fraser erstaunlich findet. »Really not bad« und vergibt auf seiner internen Skala von eins bis zehn erstmals eine neun. Danach drängen wir Popkorn kauend zum Ausgang und in den Bus zum Bahnhof. Und erinnern uns zwischendurch an die Stimme aus dem Jenseits.

Bus und Bahn
Regionalzug Richtung Bonn bis »Brühl-Bahnhof«, weiter mit der Buslinie 705 bis »Phantasialand«.
Straßenbahn Linie 18 Richtung Bonn bis »Brühl-Mitte«, weiter mit der Buslinie 705.
PKW
Luxemburger Straße Richtung Hürth-Efferen, dann der K27 Richtung Meschenich folgen, ab Meschenich auf die B51 Richtung Brühl, weiter auf der A553. An der Anschlussstelle Brühl-Süd den Hinweisschildern folgen.
Preise
Erwachsene 22 Eur; Kinder 19,50 Eur, Für Menschen, die Geburtstag haben und Kinder, die kleiner als ein Meter sind, ist der Eintritt frei.
Infos
Phantasialand, Berggeiststr. 31-41, Brühl
Info-Telefon: 02232-36200
www.phantasialand.de