Seht ihr das auch?

Mit Vasari 500 ehrt das ­Wallraf-Richartz-Museum den Begründer der Kunst­geschichte

Das Problem folgte der Lösung: Es war ein Künstler, der die Kunstgeschichte begründete und damit all die Behauptungen darüber, was Schreiber dürfen oder was Künstler angeblich nicht interessiere, ad absurdum führte. Sein Name: Giorgio Vasari, geboren 1511 in der toskanischen Töpferstadt Arezzo. Noch am heißen Atem der auf­regenden Renaissance-Jahre geschult, dann Zeuge ihres Verklingens.

 

Auch diesen Scheitelpunkt der Kunst zeichnet die Ausstellung »Vasari 500 – Italienische Meisterzeichnungen von Leonardo, Raffael & Co.« nach. Doch warum werden dem erfolgreichen Maler und berühmten Architekten zu Ehren keine Gemälde an Wände gehängt? Tatsächlich ist der Blick auf das Medium Zeichnung genau richtig, denn der Begriff der Zeichnung, Disegno, bildet das Zentrum von Vasaris theo­retischem Denken. Mit den umfangreichen, erstmals 1550 publizierten »Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten« begründete er nicht nur die Kunstgeschichte, sondern auch einige ihrer zentralen Wertbegriffe, nebst der Idee des modernen Künstlers. Denn Disegno beschreibt für Vasari nicht allein das gezeichnete Werk, sondern einen Prozess vom Blick über die Ausformung im Geist des Künstlers hin zu dessen stofflicher Übertragung.

 

Das Maß aller Dinge ist dabei das rechte Maß: die akkurate Darstellung des Körpers in allen Lagen, Haltungen und Perspektiven. Kurator Thomas Ketelsen will »den Betrachter herausfordern, damit er die Zeichnung im vollen Sinne von Vasaris Disegno vor Augen hat«, was nicht weniger bedeutet, als anhand von Werken aus dem Wallraf-Fundus den Künstlern über die Schulter zu blicken. Die Zeichnung verrät Beccafumis Können, mittels präziser und zarter Schraffur Körperlichkeit zu schaffen, sie zeigt Andrea del Sartos kantige, fast flüchtige Präzision, aber auch das Fehlen der eingeforderten Übung am Modell in der Venezianischen Schule oder dessen Missachtung beim späten Raffael. Diese Zeichnungen waren oft Arbeitsvorlagen, meist nicht signiert und somit oft Objekte unterschiedlicher Zuweisungen, an denen auch die Kölner Ausstellung ihren Anteil hat und einige Werke erstmals mit neuer Zuschreibung präsentiert.

 

Doch vor allem ist mit dieser Ausstellung eine Sehschule gelungen, die den Blick auf Körper und Details so bewegt, dass man manchmal einen Spiegel zur Überprüfung hinzuziehen möchte – und genau in diesem Moment ein wenig die Leistung der gezeigten Künstler versteht.