Endstation Schlüsselloch

Schnurren aus dem Leben Arnold Schönbergs: Tim Mrosek zeigt Zwölf an der Studiobühne

Die Kammerdiener- oder Schlüsselloch-Perspektive ist natürlich jeder ernsthaften Künstler- oder Philosophinnen-Biografie unwürdig: Sicher ist man neugierig, das Genie einmal mit heruntergelassenen Hosen, sozusagen beim Menschlich, allzu Menschlichen zu ertappen. Aber was trägt das zum Werkverständnis, zur Erkenntnis der Signatur einer Epoche bei?

 

»12«, Tim Mroseks neue Inszenierung für die Studiobühne, widmet sich dem Blick durchs Schlüsselloch sehr selbstbewusst. »12« ist ein Stück über Arnold Schönberg und seine Zwölftonmusik, ein Stück mithin über die euphorische Zeit der Moderne – könnte man denken.

 

Das Stück beginnt als autoreferentielle Vorführung dramaturgischer Formen – also am abstraktestmöglichen Punkt der Inhaltsferne. Soll heißen: Die Schauspieler unterhalten sich darüber, wie »postdramatisch« ihre »Performance« gerade ist. Es geht dann in einen etwas schulmeisterlichen Vortrag dazu über, was Zwölftonmusik eigentlich ist;  wir lernen: Sie basiert auf einem liebevoll ausgedachten, ziemlich freakigen Kompositionsprinzip. Und walzt dann – wenn man so will: in gespielten Fußnoten – zwei Schnurren aus Schönbergs Leben aus. Endstation Schlüsselloch.

 

Die drei SchauspielerInnen Jennifer Ewert, Rebecca Madita Hundt und Manuel Moser spielen denn auch ihr Können am Besten in den ganz straight narrativen Passagen aus. Dabei agieren sie übrigens nicht Gender-identisch. Moser übernimmt die Frauenrollen, Ewert und Hundt sind Schönberg oder auch mal Thomas Mann. Überraschend ist jedoch, dass ein Stück, das so kühl formalistisch angelegt ist, sich als konservatives Erzähltheater entpuppt. Was das mit Schönberg zu tun hat? Gute Frage. Konservatismen gibt es in seinen Kompositionen nämlich keine. Wenn es überhaupt einen Zusammenhang zwischen der Anlage der Stücks und seinem gewählten Gegenstand gibt, dann den, dass Schönberg eben doch kein entrücktes Genie gewesen ist, sondern so eifersüchtig und versessen auf Ruhm wie alle anderen Kleinbürger auch. Ist das eine Botschaft die trägt?

 

Die Form, so souverän sie konstruiert ist, lässt einen etwas ratlos zurück. Und inhaltlich? Gibt es Einblicke in Schönbergs (Lebens-)Räume auf Sesamstraßen-Niveau. Das ist nicht despektierlich gemeint, die Sesamstraße war ja auch schon »postdramatisch« und, zumindest in der amerikanischen Originalfassung, ein astreines Bildungsprogramm. Wer sich also auf der Suche nach der Antwort auf Fragen wie »Was sind die vier Strukturprinzipien einer Zwölftonreihe?«, oder »Wieso trug Schönberg eine völlig überflüssige Fehde mit Thomas Mann aus?« nicht langweilen will, ist hier völlig richtig.