Dicke Luft Im Depot

Die Stadt muss ihre Kulturbauten sanieren. Nach dem Opernquartier sind die Museen an der Reihe, deren veraltete Technik nicht nur die Exponate zu beschädigen droht, sondern auch hohe Betriebskosten verursacht. Hans-Christoph Zimmermann hat sich auf die Suche nach Gründen, Folgen und Chancen der langjährigen Vernachlässigung gemacht.

Im Römisch-Germanischen Museum (RGM) greift man derzeit zu außergewöhnlichen Maßnahmen. Jeden Morgen vor Öffnung huschen die Restauratoren durch die Räume und säubern die Objekte unter Glas, weil die Ausstellungsvitrinen nicht staubdicht sind. Und wenn die Alarmanlage losschlägt, muss das kein Einbrecher sein. Das Kondenswasser an den Thermopenscheiben löst gerne mal einen Kurzschluss aus. Der kommissarische Museumsdirektor Marcus Trier und seine Stellvertreterin Friederike Naumann-Steckner können viele solcher Geschichten erzählen, die immer auf dasselbe hinauslaufen: Das 1974 eröffnete und seitdem nur notdürftig reparierte RGM ist völlig marode. Sorgen bereitet Marcus Trier vor allem die veraltete Klimaanlage. Die steinernen antiken Exponate betrifft das nur am Rande. Doch geklebte Vasen, Exponate aus Holz oder Pergament, ergänzt Friederike Naumann-Steckner, reagieren auf Temperaturschwankungen sehr empfindlich. Ständiges Überprüfen ist deshalb die Devise. Die veraltete Technik treibt so die Personal- und die Betriebskosten in die Höhe.

 

Nicht mehr lange allerdings, denn im Juli hat der Rat ein Sanierungsprogramm für das RGM über 18,3 Mio. Euro beschlossen. Damit ist es Vorreiter für eine Welle von Museumssanierungen, denn, so Kulturdezernent Georg Quander: »Saniert werden müssen mit Ausnahme des Rautenstrauch-Joest- und des Schnütgen-Museums  alle.« Die Reparaturlis­te reicht von Klima- und Beleuchtungsanlagen über Gebäudetechnik, Dächer, Glasfassaden, Dämmung, Heizungssystemen bis zum Objektschutz. »Das sind Anlagen, die nicht dem heutigen Stand der Technik entsprechen und viel Energie verbrauchen«, sagt Michael Troost, der Leiter des Museumsreferats. Was eine nachhaltige Sanierung bringt, lässt sich an den gerade vorgelegten Entwürfen zum neuen »Klimaschutzkonzept« der Stadt ablesen. Andreas Hübner von der Ingenieursgesellschaft Gertec hat die städtischen Liegenschaften untersucht und spricht von drei bis acht Prozent Reduzierung der Energiekosten allein durch wirksames »Energiecontrolling des Verbrauchs« – das es derzeit bei Schulen, aber nicht bei Kulturbauten gibt. Durch den Einsatz neuer energiesparender Verfahren – ob Fassadendämmung oder Klimaanlagen – sei die Einsparung bei den 3,5 Mio. Euro, die die Museen pro Jahr für Strom und Wärme ausgeben, noch »wesentlich höher«. Wie hoch, darauf will sich Andreas Hübner nicht festlegen.

 

Ein Dunkelfeld bleibt das Thema Sanierung der Depots. Das RGM hat, so Marcus Trier, durch die Grabungen für die U-Bahn zwei Millionen neue Exponate hinzugewonnen. Wie werden die gelagert? In welchem Zustand befinden sich die Depots? Darüber wird eisern geschwiegen. Begründung: Sicher­heitsbedenken. Bekannt ist, dass die gelagerten Bestände die ausgestellten Objekte um den Faktor 10 plus X  übersteigen. Zwar findet sich im Kulturentwicklungsplan der Hinweis auf die Depotsituation mit dem Zusatz, »dass der Zustand der Sammlungen und Archiva­lien, die sich in den Häusern befinden, alarmierend ist.« Doch in den in den Sanierungsplänen ist nur beim Kölnischen Stadtmuseum  (KSM) von der »Wassersicherheit der Depots« die Rede. Dort allerdings wie auch im Museum für angewandte Kunst durfte die StadtRevue auf Anweisung des Kulturdezernats weder fotografieren noch Gespräche mit den Direktoren führen. Begründung: Das gute Verhältnis zur Politik soll nicht getrübt werden. Schon gar nicht vor der Sitzung des Kulturausschusses am 27. September, in der über die Generalsanierung des völlig heruntergekommenen KSM entschieden wird.

 

Wer in Zukunft Geld sparen will, muss jetzt Geld ausgeben. Nach dem »Investitions- und Sanierungsplan für Kulturbauten« des Kulturdezernats belaufen sich die Kosten für die Sanierung der Museen inklusive Neubau Archäologische Zone?/?Jüdisches Museum auf ca. 150 Mio. Euro; nimmt man das Opernquartier, die Stadtbibliothek oder das zu errichtende Historische Archiv hinzu, landet man bei rd. 470 Mio. Euro. Der Großteil der Maßnahmen ist bereits beschlossen und in den Haushalt eingestellt. Außerdem veranschlagt das Kulturdezernat 2,6 Mio. Euro aus dem Konjunkturprogramm II für weitere »Sanierungsbedarfe«.  Die großen Summen werden nur über Kredite finanzierbar sein, meint Jörg Frank, der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen. Die Gewerbesteuereinnahmen hätten sich in Köln, anders als im Bund, nicht erhöht, die Haushaltslage sei sehr angespannt. »Wenn die Dezernate, die Zuschüsse erwarten, eine Fortschreibung von 2011 erleben, sind sie auf der Siegerseite«, sagt Jörg Frank zu den anstehenden Haushaltsberatungen. Kredite wollen schließlich abbezahlt werden und ob das Kulturdezernat zu den Siegern gehört, wird man sehen.

 

Undurchschaubar im großen Sanierungsvorhaben ist auch der Sinn der verteilten Zuständigkeiten. Eigentlich verfügt die Stadt über ein Amt für Gebäudewirtschaft, das für die städtischen Immobilien zuständig ist. Die Kulturbauten allerdings unterstehen dem Kulturdezernat, das sogar über drei eigene Ingenieure samt Leiter und Handwerkerpool verfügt. Georg Quander begründet das mit dem spezifischen technischen Wissen, das die Kulturbauten erfordern. Warum aber untersteht dann ausgerechnet das Historische Archiv dem Amt für Gebäudewirtschaft? Dessen Leiter Engelbert Rummel meint lapidar: »Wenn die Kulturbauten in die Struktur der Gebäudewirtschaft eingegliedert wären, hätten gezielt Mittel für die bauliche Unterhaltung zur Verfügung gestanden«. Er bezieht sich damit auf den »Baunterhaltungsansatz«, den das Amt über Mieten von deren Nutzern erwirtschaftet.

 

Fragt man nach den Gründen für die verschleppte Sanierung ist mal vom strukturellen Defizit der Haushalte die Rede, mal von den Schwächen des kameralistischen Buchführungssystems. System und Struktur halten immer schon gerne als Prügelknaben her. Für Jörg Beste, den Geschäftsführer des Architekturforums Rheinland, sind Museen eine Frage des politischen Prestiges: »Einen Neubau zu beschließen, ist immer spannender, als ein vorhandenes Museum in einen ordentlichen Zustand zu versetzen«. Das Kölner Schauspiel­haus und die Bonner Beethovenhalle, die bis heute als Spielball eines neuen Festspielhauses dient, sind da nur zwei Beispiele. Fensterfronten sanieren sei eben langweilig, meint Jörg Beste. Und wenn die Fensterfront von der Vätergeneration stammt, käme auch noch ein Generationenkonflikt mit ins Spiel. Ein weiterer Grund für die Verrottung der Bauten liegt aber auch bei den Museen selbst. Die immer stärkere Angebotsorientierung mit Blockbuster-Ausstellungen oder Sonderveranstaltungen, so der freie Museumsberater Hartmut John, lenkt den Blick vom Eigentlichen ab – und das sei nach wie vor die Trias Sammeln, Konservieren, Forschen.

 

Nicht zuletzt wurden mit dem ausgerufenen Ranking der Städte Kulturbauten zum Muss des kommunalen Marketings erklärt: Noch ein Museum hier, noch ein Theater dort. Wer über keine via culturalis verfügt, kann einpacken. So wurden Neubauten ge-plant, ohne für Betriebs- und Bauunterhaltskosten zu sorgen. Beim Projekt »Archäologische Zone / Jüdisches Museum« verhandelt die Stadt Köln noch vor dem ersten Spatenstich mit dem Landschaftsverband Rheinland über eine Beteiligung.

 

Inwieweit Politik und Verwaltung zum Umdenken gebracht werden können, ist die große Frage. Der Architekt Peter Busmann, der zusammen mit Gottfried Haberer das Museum Ludwig entworfen hat, schlägt jährliche Rückstellungen für die Gebäudesanierung in Höhe von einem Prozent der Bausumme vor – was in der Höhe allerdings kaum realisierbar scheint. Skeptisch macht jetzt schon eine Liste mit »Nutzungszeitverlängerungen« im Sanierungsplan des RGM, die angibt, wie lange die Reparaturen vorhalten sollen. Auf 45 Jahre wird die Halbwertzeit des neuen RGM veranschlagt. Man kann das als Kosten-Nutzen-Rechnung, man kann es aber auch als Schätzwert zukünftiger Untätigkeit lesen. In dem 2009 veröffentlichten »Manifest für nachhaltige Stadtplanung« des Architekten Albert Speer, der den städtebaulichen Masterplan für Köln entwickelt hat, heißt es, dass die »Entwicklung nachhaltiger Städte ein niemals endender Prozess ist, der ständigen Veränderungen unterliegt, der immer wieder nachjustiert werden muss.«