23 Meter Deckenhöhe

Prominenz in Ossendorf: David Cronenberg hat große Teile von Eine dunkle Begierde in Kölner Studios gedreht

 

Studio 53 wartet mit all den technischen Daten auf, die von international arbeitenden Filmproduktionen erwartet werden: modernste Beleuchtungstechnik, 2000 Quadratmeter bespielbare Fläche und einiges mehr. Aber ein Wert bei MMC am Coloneum in Köln-Ossendorf ist weltweit konkurrenzlos, da müssen selbst die Hollywoodstudios passen: die Deckenhöhe von 23 Metern. Mit so viel Luft nach oben kann der Spiegelsaal von Versailles originalgetreu nachgebaut werden, ein ganzer Märchen­wald für Ottos ­»7 Zwerge«, riesige Teile der Hindenburg in Originalgröße für den gleichnamigen RTL-Katastrophen-Zweiteiler oder auch ein Pariser Viertel für das Historiendrama »Henri 4«.

 

David Cronenberg benötigte für seinen neusten Film zwar keine Hochbauten, quartierte sich aber dennoch in den Studios 53 und 41 ein, um hier sämtliche Innenaufnahmen von »Eine dunkle Begierde« über die Beziehung zwischen Sigmund Freud, C. G. Jung und Sabina Spielrein zu drehen. Das kleinere Studio beherbergte die Nachbauten von Jungs Villa sowie von Freuds und Spielreins Appartements. Im größeren der beiden Studios wurden die Züricher Klinik Burghölzli und die Gangway zum Luxusliner SS Washington nachgebaut. Hinter der Deko stand der Greenscreen, auf den in der Postproduktion die am Bodensee gedrehten Außenaufnahmen gelegt wurden.

 

Wenn es aber nicht die Studio­höhe war, die den kanadischen Regisseur von Filmen wie »Die Fliege«, »Crash«, »A History of Violence« und »Tödliche Versprechen« nach Köln lockte, muss er andere Gründe gehabt haben: »In diesem Fall kamen wir auf der Berlinale mit Marco Mehlitz von Lago Film ins Gespräch, der den Film koproduziert hat«, erzählt Bastie Griese von MMC von den Anfängen der transatlantischen Zusammenarbeit. Zum deutschen Produzenten habe man einen guten Draht und Mehlitz wiederum konnte Cronenberg von Köln und MMC überzeugen. Überzeugt sind die internationalen Partner, wenn zwei Fragen positiv beantwortet werden: Können die das? Und: Bleiben die im Budget? »Denn es kostet natürlich ein paar hunderttausend Euro, wenn man nach alten Originalaufnahmen de­tailgetreu eine Klinik nachbaut oder eine Gangway«, sagt Griese, der als Head of Film Production auch über die Budgets wacht. »Seit 2008, seit Stephen Frears ›Chérie‹, sind wir da. Damit hatten wir den Nachweis erbracht, dass wir auf Augenhöhe sind mit Babelsberg, aber auch mit den Studios in London und Los Angeles.«

 

Das Buhlen um große Pro­duk­tionen gehört zum Tagesgeschäft der Kölner Studiobetreiber. Ein Standortvorteil ist die Nähe zur Film- und Medienstiftung, ein an­derer die zur Staatskanzlei in Düsseldorf. Es gehe nicht ohne diese Verbindungen und so fahren ganze Trosse mit Vertretern der Politik, Banken, Filmförderung und Studios regelmäßig zu potenziellen Partnern in Europa und USA, um für NRW zu werben. Damit nicht ziellos subventioniert wird, ist der sogenannte NRW-Effekt bei der Vergabe von Förder­geldern festgeschrieben. Der be­deutet für die Filmemacher, mindestens 150 Prozent der Fördergelder in NRW zu lassen, also die gesamte Fördersumme plus deren Hälfte aus eigenen Mitteln. Natürlich will Griese nicht den Eindruck entstehen ­lassen, dass allein die Gelder ­Cronenberg, Frears und andere an den Rhein locken. »Nein, es hat sich rumgesprochen, dass hier sehr gute Arbeit geleistet wird, unser Art Department ist ein­zigartig und mit Uli Hanisch wirkt hier einer der Super­stars der Szenenbildner mit«.

 

Ein paar Meter neben Studio 53 befinden sich die Werkstätten. Schreiner, Schweißer, Maler bauen hier an Dekos, Sets, Kulissen. Im April begannen dort die Arbeiten für »Eine dunkle Begierde« unter den Augen des Art Directors und des Szenenbildners, Regisseur Cronenberg drehte zeit­gleich die Außenaufnahmen am Bodensee und in Zürich. Im Mai begann er dann am Kölner Set die Innenaufnahmen mit seinen Stars Keira Knightley als Sabina Spielrein und Viggo Mortensen als Freud. »Sein Produktionsbüro hat­te er aber die ganze Zeit auf unserem Gelände«, betont Griese. Was überrascht, denn die Studios liegen mitten im Ossendorfer Gewerbegebiet, dort lässt sich gut arbeiten, aber schlecht leben. »Das Gesamtpaket stimmt«, beteuert Griese, »Köln hat sehr gute Hotels und Restaurants, Bensberg auch. Wenn die Künstler wollen, fahren wir auch nach Bonn in die Museen, mit Stephen Frears waren wir an der Loreley. Aus Cronenbergs Cast waren eini­ge nachts im Kölner Clubleben unterwegs. Ich nenne keine Namen, aber sie waren sehr angetan.«

 

Trotzdem muss natürlich jeden Tag aufs Neue akquiriert werden. Nicht nur weil der Wettbewerb hart ist und osteuropäische Studios mit günstigen Preisen wer­ben können. Es hat auch immer noch mit der Wahrnehmung in der Szene zu tun, wie MMC-Marketing-Mann Hans Jörg Seibold mit einer Anekdote belegt: »Wir hatten mal einen ganzen Tag lang Meetings in London, und am Ende der langen Verhandlungen, in denen wir uns wirklich gut präsentiert hatten, hörten wir dann bei den Einzelgesprächen: ›Sie kommen also aus Berlin!‹ Viele denken bei deutschen Studios schlicht erst einmal an Babelsberg.«

 

David Cronenberg wird wohl noch wissen, wo er Sigmund Freuds Couch hat beziehen lassen. Auch wenn gleich nach dem letzten Drehtag seine Deko abgebaut und verschrottet wurde. Jetzt ist Mario Barth in Studio 53.