Atomkraftwerke zu Schaukeln – spielende Kinder in Tihange, Foto: Reporters/laif

Belgische Mogelpackung

Es waren gleich zwei Überraschungen: Zunächst begannen im Oktober, 16 Monate nach der Wahl, Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale mit Regierungsverhandlungen. Und dann war einer der ersten Beschlüsse der designierten Koalition der Atomausstieg. 2015 sollen die drei ältesten AKW vom Netz gehen, bis 2025 alle Meiler abgeschaltet werden. Damit greift die belgische Regierung ein Konzept auf, dass bereits 2003 von der damaligen Regierung vorgelegt worden und 2009 wieder zurückgenommen wurde.

 

Sieben Reaktoren laufen in Belgien, vier im Antwerpener Vorort Doel und drei in Tihange bei Lüttich. Für viele Menschen in NRW ist Tihange das nächstgelegene Atomkraftwerk. Die Entfernung zu Köln beträgt etwa 128 Kilometer. Auch der älteste dortige Meiler – mit 35 Jahren ein echter Dinosaurier im europäischen Vergleich – soll bereits 2015 vom Netz gehen.

 

Claudia Niessen ist wenig euphorisch: »Das ist kein wirklicher Ausstieg, vielmehr eine ›Ja, aber...‹-Entscheidung«, sagt die 32-Jährige, die für die Umweltpartei Ecolo im föderalen Parlament sitzt. Der komplette Ausstieg kommt nur, wenn die Energieversorgung, die bislang zu 55 Prozent aus Atomkraft kommt, dauerhaft gesichert ist. Und da hat man sich noch nicht festgelegt, ein Fahrplan soll noch erarbeitet werden. »Wir bräuchten eine klare Entscheidung gegen Atomkraft, als Signal für die Betreiber, dass sie auf erneuerbare Energien umstellen müssen. Stattdessen ist die Botschaft: Es könnte weitergehen«, so Niessen.

 

Die Entscheidung, die ältesten Meiler bis 2015 abzuschalten sei zudem eine Mogelpackung. Im November seien die Ergebnisse der jüngsten Stress-Tests an belgischen AKW bekannt geworden, so Niessen. Da habe der Betreiber Electrabel eingeräumt, dass die angemahnten Sicherheitsstandards für die drei Alt-AKW eine Milliarde Euro kosten würden. Der weitere Betrieb würde sich demnach finanziell nicht lohnen. »Es macht Sinn für die Versorger, die stillzulegen«, so Niessen. »Eine grüne Entscheidung ist das nicht.«