Nüchtern und pastos

Düsseldorfer Schauspielhaus: die ersten großen Premieren der neuen Intendanz

Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, hat keinen leichten Start. Er musste die geplante Abfolge seiner Eröffnungspremieren ändern, weil die Sanierung des Großen Hauses nicht rechtzeitig abgeschlossen war. Zwei Inszenierungen im Kleinen Haus rückten stattdessen an den Anfang: Falk Richters »Karte und Gebiet« nach Michel Houellebecq und Marie-Louise Bischofbergers Auffüh-rung der Corneille-Komödie »Illusion«. Zusammen genommen war das Echo bei der Kritik mau. Eigentlich sollte der »Hamlet« von Staffan Holm selbst den Neustart markieren, im Doppelpack mit Hauptmanns »Einsamen Menschen«, inszeniert von der jungen Hausregisseurin Nora Schlocker. Jetzt kamen beide zum Zug.

 

Holm erweist sich als versierter Handwerker. Im Zentrum der Aufführung stehen die Schauspieler und der Text, nicht die Regie. Wenn es in dieser nicht unsympathischen, aber auch äußerst ideenarmen Inszenierung, die in einem großen, gold ausgeschlagenen Einheitsbühnenraum ohne weitere Kulissen und in schlichtesten Anzug-Kostümen spielt, überhaupt einen thematischen Fokus gibt, dann ist das die Spiel-Metapher. Holm glaubt an das Theater als einer schöpferischen Kraft durch Einbildung. Er ist fasziniert vom Schauspieler und der Frage, was dieser eigentlich sei. Wie Hamlet im Stück. Der Regisseur kann sich diesen Fokus leisten, weil seine Spieler den Text tragen: vorneweg ein herausragend fie-ser Claudius (Ralf Bock) und ein eindrucksvoll frischer Hamlet (Aleksander Radenkovi´c).

 

Um ein Vielfaches lebendiger, beherzter und mutiger bringt Nora Schlocker (Jahrgang 1983) Gerhard Hauptmanns Familiendrama »Einsame Menschen« auf die Bühne. Schlocker erzählt eine Geschichte mit dickem Pinselstrich – die um den ebenso zwischen Tradition und Positivismus wie zwischen Freunden, Familie und zwei Frauen hin und her gerissenen Jungwissenschaftler Johannes Vockerath. Dafür nützt sie den ganzen Bühnenraum, der mit Livemusikern, Holzstegen und einem Wasserbecken (der Müggelsee) ausgestattet ist. Vockerath badet irgendwann sein Ego darin. 

 

Im ersten Teil erliegt die Regisseurin zu oft dem Hang der Figuren, ihre Meinung niemals auf den Punkt zu bringen, sondern wahre Beweggründe nur auf Umwegen mitzuteilen. Da gibt die Inszenierung Hauptmanns duldsamem Blick zu sehr nach. Überhaupt entrückt Schlocker das Stück eher der Zeit, als dass sie es konkret verortete. Andererseits lesen die Regisseurin und Ingo Tomi als fast schon zu virtuos aufspielender Johannes sehr genau und intensiv dessen Nöte – ohne den ironischen Blick auf so viel Selbstverliebtheit zu vergessen. Schlockers Abend hebt den Start im Großen Haus in Düsseldorf über den Durchschnitt.