King und Queen

The Kills spüren archaischer Dynamik nach

Frau, Mann, Strom – aus diesem beinahe vormodernen Spannungsfeld ziehen The Kills ihre gesamte Dynamik. Alison Mosshart und Jamie Hince stehen nur zu zweit auf der Bühne und fabrizieren Garagenrock in seiner reduziertesten Form. Das amerikanisch-englische Duo war dabei vielleicht nie ganz so minima-listisch wie die White Stripes, punktet aber mit souveränerer Coolness in Musik und Auftreten. Nachdem Meg und Jack White Anfang des Jahres 2011 offiziell das Ende ihres Projekts verkündeten, dürfte klar sein, wer nun King und Queen im Lande des Garage-Blues-Krachs sind.

 

The Kills beschwören die Geister ihrer Vorbilder aus den 30er Jahren herauf, auch wenn sie auf elektronische Krücken wie zum Beispiel stampfende Drumcomputer-Beats zurückgreifen. Im Grunde sei alles Rhythmus, sagt Jamie Hince. Das Zusammenspiel von Alt und Neu mit seinen unvermeidlichen, aber produktiv auszuschlachtenden Widersprüchen ist ohnehin eines seiner Lieblingsthemen. »Ich will nicht retro sein, ich will nicht puristisch sein. Ich will modern sein«, erklärt der The-Kills-Gitarrist im Interview. »Nur ist es eben zufällig so, dass ich Rock’n’Roll liebe, eine Musik, die fünfzig, sech-zig Jahre alt ist. Aber ich will Rock’n’Roll hernehmen und in die Zukunft schießen.« Hince unterstreicht den Anspruch mit einer zackigen Bewegung seiner rechten Hand. Sie ist grau und rau von Nikotin, vom Gitarren- und Kate-Moss-Streicheln: eine Arbeiterhand. Tatsächlich ist ihm beim Werken mit seinem Instrument der Anschlag das Wichtigste. Die Energie hinter einem Klang zählt für ihn mehr als ein sauberer Ton, und generell gilt bei The Kills die Haltung, mit der etwas gemacht wird, immer mehr als der Inhalt, der diese gerade füllt, wie Hince nicht müde wird zu betonen. »Alison und ich lieben frühen Blues aus den 30er Jahren. Im Grunde sind das sehr traditionelle und simple Songs, aber sie sind mit dieser Attitüde gespielt, die einen einfach umhaut. Wenn man hört, wie jemand eine einzelne Saite anschlägt, dazu auf den Boden stampft, den Rachen öffnet und brüllt, als würden gleich die Knochen durch den Hals brechen – das bewegt mich. Selbst wenn ich programmierte Drum-Maschinen verwende, letztendlich ist es exakt dieses Gefühl, das ich erzeugen will.«

 

Auf dem aktuellen Album, dem vierten seit der Gründung vor knapp zehn Jahren, stiefelt dieses Gefühl in sehr cooler, man könnte auch sagen: unaufgeregter Manier daher. Die Arrangements sind ausladender als gewohnt, die Tempi gelassen, neben Vintage-Gitarren gibt es auch Piano und Mellotron zu hören. Die Spannung zwischen röhrenden Stimmen und emotionaler Unterkühltheit, zwischen vitalem, dreckigem Musikhandwerk und Rhythmen aus der Retorte ist die alte. Und sie schlägt immer noch Funken.