»Als ›Avatar‹ lief, war hier Krieg«

Der Cinedom wird diesen Monat zwanzig: Ein Gespräch mit Geschäftsführer Martin Ebert über die Tücken des Monopolisten-Daseins, den Kölner an sich und die Rituale jugendlicher Kinogänger

StadtRevue: Wie lebt es sich eigentlich ohne Konkurrenz?

 

Martin Ebert: Sie werden überrascht sein, ich finde das gar nicht so gut, als Monopolist gesehen zu werden. Wenn ich die Preise erhöhe, sagen die Kinobesucher: Ja, ja, die können sich’s leisten. Ob das marktgerecht ist, wird dann nicht mehr gefragt. Außerdem kommen immer wieder Beschwerden, warum bestimmte Filme in Köln nicht zu sehen sind. Da kann ich nur sagen: Wir haben zwar 14 Kinos, aber wir können beim besten Willen nicht jede Erstaufführung spielen. Ich bin zwar nicht ausgesprochen scharf auf ein anderes Multiplexkino in direkter Nachbarschaft, aber es ist auch nicht ideal, so ganz singulär im Fokus zu stehen, sowohl bei den Filmverleihern als auch bei den Kinobesuchern.

 

Ist die Situation in Köln nicht absurd? Kleinstverleiher haben in mehreren Kinos die Chance, ihre Filme unterzubringen, aber nicht mehr jeder Mainstream-Film wird in Köln gezeigt, weil es an Leinwänden fehlt.

 

Wir decken schon 95 Prozent des Mainstreams ab. Trotzdem stimmt es: Die Situation ist seltsam. Aber im Moment wird vermutlich keiner hier ein Kino hinbauen, das mit dem Cinedom konkurrieren könnte.

 

Juckt es Sie nicht, selber zu expandieren? Sie haben doch bestimmt mal beim leer stehenden ehemaligen Ufa-Palast nachgehört.

 

Natürlich haben wir das geprüft. Aber mit der Immobilie sind einige Schwierigkeiten verbunden. Ursprünglich hieß es, man könnte das Kino mieten, dann war die Ansage, man müsste die Immobilie kaufen. Mit Renovierungskosten würde man in dem Fall am Ende bei einem Betrag von 15 Millionen Euro landen. Es ist ein langer Weg, das zu refinanzieren. Was wohl auch der Grund ist, warum sich bisher keiner gefunden hat. Wir rechnen ja nicht anders als die Kollegen.

 

Gibt es eigentlich aus Ihrer Erfahrung Besonderheiten des Kölner Publikums?

 

Die Kölner sind nicht so schnell. Die merken manchmal nicht, dass ein Film schon drei Wochen im Kino ist und beschweren sich dann, dass er nicht mehr läuft. Im Verhältnis funktioniert hier anspruchsvollere Action gut, ein Film wie »Eastern Promises« zum Beispiel. Was auch gut lief, das war Doris Dörries »Hanami«, nicht mit einem Ansturm am Anfang, aber dafür über eine ganze Zeit lang sehr stabil. Und richtiger Blödsinn geht auch sehr gut wie »Ey Mann, wo is’ mein Auto«.

 

Die Kölner im Vergleich zu anderen Großstädtern gehen wenig ins Kino. Warum eigentlich?

 

Die Zahlen sagen es. Das hängt aber auch damit zusammen, dass nicht genug abgeschöpft werden kann.

 

Weil zu wenig Säle da sind?

 

Ja. Das macht in Zeiten wie im Oktober, wo das Filmangebot nicht so zwingend war, kaum einen Unterschied, aber wenn es richtig knallt, dann schon. Als »Avatar« lief, war das Krieg hier, weil wir die einzigen waren, die ihn 3D abspielen konnten.

 

In Ihrer Nachbarschaft wird im März das Residenz als so genanntes »Premiumkino« wiedereröffnet. Was halten sie von solchen Luxusangeboten?

 

Das finde ich hoch spannend. Natürlich denkt man erst mal, es gibt Städte, die eher danach schreien als Köln. Wobei man sich nicht vertun darf. Früher war dem Kölner ja vollkommen egal, wie viel Geld ein anderer verdient. Aber auch da verändert sich einiges. Ich denke, es gibt hier durchaus Leute, die bereit sind für Service am Platz und dicke Ledersessel mehr zu zahlen.

 

Das neue Residenz richtet sich in ers-ter Linie an eine Kundschaft ab vierzig. Statistisch gesehen wird das Kinopublikum immer älter. Merken Sie das auch im Cinedom?

 

Ja, natürlich. Richtig spürbar wurde es, als »Casino Royal« kam. Sicher bedient Bond keine ganz junge Zielgruppe mehr, aber da hat man sehen können. Die Bevölkerung wird einfach älter, auf der anderen Seite ändern sich auch die Älteren. Vor dreißig Jahren sind Fünfzigjährige ins Theater gegangen, in die Oper oder vielleicht mal in ein Musical, da war Kino kein Thema. Das verbot ja schon die humanistische Bildung. Heute hat man viel mehr Leute, die auch im Alter auf Stones-Konzerte gehen oder zu »The Wall« in die Kölnarena.

 

Kommen die auch in den Cinedom?

 

Sicher. Die Gewohnheiten verändern sich. Es ist ja nicht mehr so, dass die Leute mit einem schwarzen Anzug und Piccolo in der Pause rumstehen wollen, sondern die kommen ins Kino und wollen Popcorn haben. Die entscheidende Frage ist, wie muss das Filmprogramm darauf reagieren.

 

Geht mit diesem Generationswechsel dem Kino nicht auch Vitalität verloren?

 

Weiß ich nicht. Manchmal kriegt man die jungen Leute ja doch. Bei Filmen wie »High School Musical« tanzen die Kids im Kino vor der Leinwand. Wir haben wirklich gedacht, wir müssten das Kino festhalten, so ging das ab. Da zeigt sich ein komplett anderes Medienverhalten, das wir früher so gar nicht kannten ...

 

... außer bei der »Rocky Horror Picture Show«.

 

Stimmt. Werten will ich das jetzt nicht. Die Kids machen ein Happening aus dem Kinobesuch. Oder wenn man sich anguckt, wie fünf Mädels fast heimlich tun, wenn sie sich die Karten für ein Double-Feature von »Twilight« kaufen. Für die ist das ein echtes Event. Das ist wirklich deren Welt in dem Moment.

 

Ob Luxuskino oder 3D, man hat das Gefühl, dass die Filmwirtschaft versucht, schwindende Zuschauerzahlen mit höheren Preisen zu kompensieren.

 

Es ist kein Geheimnis, dass 2010 etwas weniger Besucher in die Kinos gegangen sind als 2009, aber trotzdem mehr Geld in der Kasse war. Das hat sicherlich mit 3D zu tun. Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass der Aufwand viel größer ist. Die »Brillenspülorgie«, die wir jeden Tag veranstalten, sollten Sie sich mal ansehen. Auch die Leute, die das machen, wollen bezahlt werden.