Fettes Grillhähnchen

Fast eine Komödie: »Sexy Beast« von Jonathan Glazer

Ein Felsbrocken taucht auf, rollt einen Abhang hinab, verfehlt knapp die Hauptperson des Films und landet in einem Swimmingpool. Da geht schon gleich zu Anfang des Films der Puls einmal hoch. Aber der Felsbrocken ist nicht allein für den ersten Kick da. Er ist auch Vorbote und Katalysator. Selbst wenn er am Grund des Pools erst einmal Halt macht und nur ein paar Kacheln zerschlägt, wirkt die Wucht seines Aufpralls fast durch den ganzen Film fort und schafft auf verschiedenen Ebenen immer neue Durchbrüche – durch Stein, Zeit, in Beziehungen und im Bewusstsein.
Gal Dove ist der Mann, den der Felsbrocken beinahe erwischt hätte. Ray Winstone spielt den Gangster im Ruhestand, dessen einzige Pflicht es nun ist, wie ein fettes Grillhähnchen in der sengenden Sonne Spaniens zu schmoren. Doch dann taucht sein ehemaliger Boss Logan mit dem Auftrag auf, Gal für einen großen Einbruch nach England zurück zu zitieren. Ben Kingsley macht aus dem Boten eine echte Heimsuchung, vulgär, grenzüberschreitend, brutal und unberechenbar. Er terrorisiert vor allem mit Sprache. Selbst unmenschlich, ist ihm keine menschliche Schwäche fremd. Wenige Worte genügen ihm, um zu verletzen und sich selbst unangreifbar zu machen. Sich seinem Willen zu widersetzen ist fast unmöglich, und Gal hat ein echtes Problem.

Vor und Zurück in der Zeit

Im ersten Teil des Films liegt der Schwerpunkt deutlich auf dem psychologischen Machtkampf zwischen Gal und Logan, auf der Zeichnung der konträren Charaktere. Es ist der interessantere Teil des Films – auch weil der Kleinkrieg zwischen den beiden durch eine raffiniert gestaffelte Rückblende aufgelockert wird. Ein Dialog wird hier auf mehre Personen und Zeitebenen verteilt. Ein rasantes Vor- und Zurück in der Zeit führt zu einer Szenenfolge in der Vergangenheit, vom sonnigen Spanien in ein finsteres, verruchtes London. Im zweiten Teil gibt es dann Rückblenden, die uns von London nach Spanien befördern.
»Sexy Beast« ist zweifelsohne konsequent durchkomponiert, wechselt ständig den Rhythmus und ist gespickt mit visuellen Einfällen. Die Herkunft des Regisseurs Jonathan Glazer aus der Musikvideo- und Werbebranche ist unverkennbar. Wenn er die Studie der Machtverhältnisse im Gangstermilieu wie eine tiefenpsychologisch inspirierte Erforschung der Unterwelt als Reich des Bösen inszeniert, so tut er das sicherlich auch, um nicht an realistische Konventionen gebunden zu sein, sprich formell freier agieren zu können. Dabei verausgabt er sich jedoch so, dass seine Geschichte, trotz kleiner Schlusspointe, etwas langsam ausrollt.
Sexy Beast (dto.) GB 00, R: Jonathan Glazer, D: Ray Winstone, Ben Kingsley, Ian McShane, Amanda Redman, Cavan Kendall, Julianne White, Alvaro Monje, James Fox, Start: 27.6.