Sturm und Freiheitsdrang

Frische Klassikeradaption: »Jane Eyre« von Cary Joji Fukunaga

Laut Presseheft der neuesten Verfilmung des Klassikers wurde »Jane Eyre« bereits 27-mal für Kino und Fernsehen adaptiert. Da bedarf jede weitere Version einer Begründung, weshalb die Produzenten sich mit der Absicht zitieren lassen, »die Elemente des Schauerromans in der Geschichte stärker als sonst herauszuarbeiten«. Treue Leser Charlotte Brontës mögen da skeptisch werden, aber keine Sorge, bei der zitierten Absichtserklärung handelt es sich bloß um harmlose PR.

 

Zwar setzt Regisseur Cary Joji Fukunaga (»Sin Nombre«) ein paar altmodische Schauerakzente, aber die spitzen bloß Elemente zu, die schon im Buch angelegt sind. Die Änderung der Erzählstruktur, die Drehbuchautorin Moira Buffini vorgenommen hat, ist sogar fruchtbar: Während der Roman die Handlung (trotz eines Zeitsprungs) linear entwickelt, beginnt der Film mit der Flucht Janes vom Landsitz des undurchsichtigen Edward Rochester und blendet dann zurück in ihre vorangehenden biografischen Stationen.

 

Indem der Film den Zuschauer gleich zu Beginn zu Janes alleinigem Begleiter auf dieser stummen, gehetzten Flucht durch die windgepeitschte Landschaft des Drehortes Derbyshire macht, stiftet er eine Beziehung zur Protagonistin, die dem intimen Effekt der subjektiven Erzählstimme im Roman zumindest nahekommt. Nachdem Adrian Goldman in der Anfangssequenz mit angemessen furioser Handkamera Janes Verzweiflung suggeriert hat, kann Fukunaga auf eine ruhige, präzise Inszenierung bauen, ohne den Eindruck braver Steifheit fürchten zu müssen, den so manche Klassikerverfilmung erzeugt. 

 

In gedämpften Farben und zumeist fahlem Licht präsentiert sich das sorgfältige Szenenbild, doch das Hauptaugemerk gilt der Protagonistin. Deren proto-feministische Faszinationskraft ergibt sich daraus, dass sie ihr Unabhängigkeitsstreben nie verleugnet, obwohl sie weder über Geld noch familiären Einfluss oder strahlende Schönheit verfügt.

 

Mia Wasikowska spielt die Titelrolle so nuanciert, dass sie Janes Wechsel zwischen pragmatischer Reserviertheit, aufbrausendem Temperament und zaghafter romantischer Aufwallung in allen Facetten vermittelt. Daher ist nur schwer vorstellbar, dass jemals ein Film diese hinreißende literarische Figur noch besser treffen wird – auch wenn die nächste Adap-tion gewiss nicht lange auf sich warten lässt.