Der Egoismus der Eltern

Bauturm Theater: Heinz S. Keller inszeniert Lutz Hübners Satire Frau Müller muss weg

Ein Klassenzimmer, fünf Eltern auf viel zu kleinen Stühlen, eine Tafel mit klugen Grundsätzen fürs Zusammenleben, von »Wir arbeiten miteinander« bis »Wir lassen uns ausreden«: Im Lauf des Abends werden die Erwachsenen sie alle über den Haufen werfen. 

 

Zunächst allerdings geht es zivilisiert zu, auch wenn gerade eine knallharte Strategie entwickelt wird, um eine Lehrerin zu schassen: Zwei Väter und drei Mütter haben Frau Müller um ein Gespräch im Namen der Klassenelternschaft gebeten, die Noten der Kinder haben sich im laufenden Schuljahr bei vielen verschlechtert. Damit gerät die Gymnasialempfehlung in Gefahr, mutmaßlich das spätere Lebensglück. Es ist ja untrennbar verbunden mit Karriere und materiellem Erfolg. 

 

Über elterlichen Egoismus, um dem eigenen Nachwuchs die beste Startposition im Daseinskampf des 21. Jahrhunderts zu sichern, ist viel geschrieben worden, von Soziologen, Philosophen, Erziehungswissenschaftlern. Selten allerdings so unterhaltsam wie in »Frau Müller muss weg«. Autor Lutz Hübner ist ein Spezialist für flotte Gebrauchsdramatik, Vertreter des Stücks mit Anliegen, mit einem guten Ohr für Dialoge und einem Händchen für Struktur. Das beweist nicht zuletzt das beständige Kichern des Publikums, das die eingebauten Wiedererkennungseffekte ebenso goutiert wie Hübners Gratwanderung zwischen Klischee und Wahrheit.

 

Regisseur Heinz Simon Keller präsentiert eine kölsche Lösung: Der Text, ursprünglich für das Dresdener Staatsschauspiel geschrieben, beinhaltet in der Aufführung im Bauturm-Theater keinen Zusammenprall von Ost- und West-Sozialisation (in Köln kein Thema), dafür die eine oder andere Lokalanmutung: Die Mutter, die mit der kölschen Mentalität fremdelt, stammt nicht von hier, logisch, sondern ist eine Deutschtürkin aus Berlin-Kreuzberg, die Brauchtum und Dialekt entnervt nachäfft.

 

Frau Müller ist die Figur, von der wir am wenigsten erfahren, der Katalysator für die Perfidie der anderen. Nichts ahnend stößt sie zu der Runde: Doris Plenert trifft sehr genau einen routiniert-freundlichen und damit herablassend wirkenden professionellen Plauderton. Im Konflikt mit den Eltern, auf den sie nicht gefasst war, geht ihr dieser Ton verloren, und das charakterisiert die Figur sehr gut: Wir erleben ihre persönliche Verletztheit mit, ihr Ringen um eine Lösung – und die Freude über die Versöhnung, bei der Hübner mit einem besonderen Clou aufwartet. Der Rest ist Selbstdemontage des Bürgertums, in egoistische Grabenkämpfe ebenso verstrickt wie in Überfürsorglichkeit. Ein unterhaltsamer, sauber gespielter Abend.