Der Entertainist

Wer braucht langatmige Superstargalas, wenn er Frank Sinatra, Jay-Z und Richard Clayderman alle vereint in einer Person kriegen kann? Noch dazu inklusive Udo-Jürgens-Bademantel. Chilly Gonzales macht’s möglich. 

 

Gonzales meint es einfach Ernst mit Unterhaltung und spielt dabei in einer Liga, in der die Vergleiche mit den ganz Großen nicht verkehrt sind. »The Entertainist« heißt bezeichnenderweise eines der Alben des Weltrekordhalters der längsten Soloperformance, das er schon im Jahr 2000 veröffentlichte.

 

Zu der Zeit hatte Gonzales mit einer Hand voll Buddies einen neuen Sound of Berlin auf die Poplandkarte gebracht – der vor allem kanadisch geprägt war. Punkattitüde wurde mit Beatbox-Rumpeln und großer Rap-Schnauze verkuppelt: eine offensiv aufreizende Verbindung, deren Ursprünge zurückreichen bis nach Toronto. Dort war Gonzales Teil einer Punkrockkombo namens The Shit, die sich – was die Beteiligten damals wohl selbst nicht ahnten – zu einer Keimzelle für (Nicht-nur-)Indie-Stars entwickeln sollte: Peaches, Mocky und auch Feist gingen alle aus derselben kreativen Blase hervor. Die Berliner Jahre waren die Zeit, in der diese Truppe ihre Talente als Rampensäue, aber auch Songwriter perfektionieren konnten. Chilly Gonzales besann sich in der Folge auf seine gutbürgerliche Kinderstube, auf die solide Klavierausbildung und seine Faszination für Broadway-Glamour. Nach den frühen, von Rap und Elektronik geprägten Alben, flirtete er immer heftiger auch mit Klassik und Jazz. Er zog nach Paris und streifte weiße Handschuhe über seine Barpianistenpfoten, in seinen Songs verband er perlende Improvisationen mit Wortkaskaden und großen Melodien.

 

In seiner aktuellen »Piano Talk Show« wird der Konzertflügel zum Klettergarten, den Gonzales mit Pantoffeln und im nassgeschwitzten Bademantel besteigt. Am Klavier ist er derart versiert (und sind manche seiner Stücke so genial simpel), dass er die Tasten von oben auch mit den Füßen bearbeiten kann. Am virtuosesten aber spielt er wohl seit eh und je auf der Gute-Laune-Klaviatur. Und genau das macht er am Silvestervorabend 2011 in der Kölner Philharmonie.