Folk ohne Bart

Chris Klopfer entdeckt den Genre-Klassiker in sich

Skandinavischer Doom-Metal, Free Jazz und David Guetta? Während man gerade durch ein breites und möglichst widersprüchliches Spektrum seine Kompetenz unter Beweis stellt (der wahre Kenner erkennt überall das Gute...), wird vom Musikproduzenten noch immer erwartet, sich im Dienste der Glaubwürdigkeit auf eine Richtung festzulegen, für ein Genre und eine damit verbundene Haltung zu stehen. Eigentlich Quatsch – doch die Gesetze der Vermarktung sind in der Regel unerbittlich. Christian Brodüffel ist ein Musiker, der dieser Erwartung nicht gerecht werden möchte und mit seiner Kreativität stattdessen zwei verschiedene musikalische Identitäten füllt.

 

Als Sänger und Gitarrist von Nil spielt er seit einigen Jahren deutschsprachigen Rock, der sich durch große Gesten und breitwandige Arrangements auszeichnet – jetzt hat der 23-Jährige den introvertierten Folk-Songwriter in sich entdeckt. Unter dem Pseudonym Chris Klopfer (benannt nach Bambis Hasenfreund!) nimmt er Songs in seinem Schlafzimmer auf, die in karger Akustik Arrangements daherkommen: »Minimalismus ist mir dabei sehr wichtig – ein Mann, eine Akustikgitarre. Das funktioniert sehr schnell, weil es jeder versteht.«

 

Natürlich ist sich der Kölner im Klaren darüber, dass dieser Ansatz »nicht das Neuste der Welt« ist, nicht umsonst nennt er mit Leonard Cohen und Townes Van Zandt echte Genre-Klassiker als größte Vorbilder. Dass viele seiner Altersgenossen ein Faible für die wertkonservative Pop- und Folkmusik ihrer Eltern- und Großelterngeneration haben, führt er auf die »Sehnsucht nach Geborgenheit in einer schnellen Internet-Welt« zurück: »Natürlich wird dieser Karohemden- und Vollbarttrend inzwischen von Starbucks vermarktet – ich interessiere mich aber schon seit zehn Jahren für Folk-Music!«

 

Nicht nur die alten Helden haben es Chris Klopfer angetan – auch von den neuen Klassikern des Genres ist er beeinflusst. So gesteht er, beim Komponieren seines Songs »Ashamed« »Bon Iver extrem im Hinterkopf« gehabt zu haben. Der Falsett-Chor, das hypnotisch-repetitive Picking-Muster auf der Gitarre, die einsame Trompete – in der Tat erinnert einiges an den amtierenden Indiefolk-König aus Wisconsin. 

 

Obwohl bei Chris Klopfer die Einflüsse vielleicht noch etwas zu deutlich herauszuhören sind, muss man festhalten: Dieser junge Mann hat Zukunft. Weil seine Songs und seine Stimme das gewisse Etwas haben, das sich nur schwer in Worten beschreiben lässt. So wie das bei guter Gefühlsmusik eigentlich immer der Fall ist. Keine krassen Soundrevolutionen, keine textlichen Manifeste, keine virtuosen Kapriolen. Man hört zu, die Verbindung steht – und irgendwas kommt an.