Erst die Stimmen, dann die Moral

Desillusionierter Polit-Thriller: The Ides of March von und mit George Clooney

Mike Morris ist der beste Präsidentschaftskandidat, den man sich als Linker – jedenfalls als linker amerikanischer Demokrat – überhaupt vorstellen kann. Er ist für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, für militärische Zurückhaltung, für Umweltschutz, ja, sogar laizistisch. Diese Positionen vertritt er ebenso standhaft wie eloquent, weshalb er auch die passende Antwort auf jene unverschämte Frage parat hat, die Michael Dukakis 1988 die Präsidentschaft kostete: ob er im Falle einer Vergewaltigung und Ermordung der eigenen Ehefrau weiterhin gegen die Todesstrafe wäre.

 

Mit diesem Idealbild eines Politikers knüpft George Clooney als Regisseur und Darsteller an eine Tradition Hollywoods an, das von »Der Kandidat« (1964) bis zur TV-Serie »West Wing« (1999-2006) dem linksliberalen Teil des heimischen Publikums bessere politische Kadidaten anbot als die Demokratische Partei. Wie jene Vorbilder ist »The Ides of March – Tage des Verrats« allerdings zugleich von den taktischen Winkelzügen hinter den Kulissen des politischen Betriebes fasziniert. Während der demokratische Vorwahlkampf bei einer Zwischenstation in Ohio auf den Höhepunkt zusteuert, tritt daher als Protagonist ein brillanter Wahlkampfmanager auf.

 

Als dieser junge Idealist sich auf die sexuellen Avancen einer noch jüngeren Wahlkampfhelferin einlässt, deren Vater Vorsitzender der Partei ist, beginnt ein Thrillerplot, der in seiner unspektakulären Unterkühltheit und mit seinen gedämpften, dunklen Farben erahnen lässt, dass als Vorlage zum einen ein Theaterstück des Drehbuchautors Grant Heslov gedient hat und zum anderen als filmische Inspirationsquellen Verschwörungsthriller der 70er Jahre. Dabei gelingt es Clooney, höchst geschickt mit ominösen Telefonanrufen, Nebenbemerkungen in Hotelbetten und Getuschel an Kneipentheken Spannung aufzubauen und Zuschauererwartungen zu lenken. Während seine vierte Regiearbeit als Thriller somit bes-tens funktioniert, gerät sie auf einer anderen Ebene allerdings auf Abwege.

 

Denn solch einen Film von Hollywoods Vorzeige-Linksliberalen muss man natürlich auch als Beitrag zur politischen Debatte verstehen. Hier begeht »The Ides of March« leider den Kardinalfehler, Ideologie und Charakter falsch zu gewichten, wenn sich die im Fokus stehenden »political animals« durch moralische Fehltritte diskreditieren. Linken Zuschauern – oder linksliberalen Filmemachern – sollte wichtiger sein, dass solche Menschen, die kein Gesetz gebrochen haben, ausnahmsweise einmal ihre und unsere politischen Anliegen durchsetzen können.