Experiment gelungen

Christian Ulmen geht in die Schule: Jonas von Robert Wilde

Als Schauspieler ist Christian Ulmen höchstens mittelmäßig. Wenn er sich aber in Figuren verwandelt, die er selbst kreiert hat, ist er so erschreckend gut, dass auch ein sehr guter Schauspieler diese Figur nicht besser spielen könnte. Das war so in seiner Fernsehserie »Mein neuer Freund«, in seiner Darstellung des widerlichen Adeligen Alexander von Eich,  als  Alleinunterhalter Knut Hansen, als schlichtes Gemüt Uwe Wöllner. Ausgerechnet mit einer neuen, unerprobten Kunstfigur, die auf die Realität trifft, kommt Ulmen nun auf die große Leinwand. Das ist mutig, auch weil die Herausforderung groß ist: Der 36-Jährige will als 18-Jähriger durchgehen – und das auch noch unter Gleichaltrigen in einer Schule. Gleich vorweg: Dieses Experiment ist gründlich gelungen.

 

Ulmen spielt Jonas, der nach wiederholtem Sitzenbleiben eine letzte Chance auf einen Abschluss an einer Gesamtschule erhalten soll. Ein Filmteam begleitet Jonas für eine Dokumentation. Dass gefilmt wird, wussten also alle Beteiligten an der Berliner Paul-Dessau-Gesamtschule, die sich auf den vermeintlichen Dokumentarfilm einließ, nur dass in Jonas ein anderer steckt, wurde verheimlicht und flog bis zuletzt auch nicht auf. Das ist eine erstaunliche  Leistung der Maskenbildner und des Mimen, der zurückgenommen agiert, nur selten forciert und nie provoziert. So sind es die Mitschüler, die Lehrer und der Stundenplan, die weite Teile des Ablaufs bestimmen. Dramaturgische Zugaben wie eine zarte Liebe zur Musiklehrerin und die Gründung einer Schulband werden behutsam eingeflochten.

 

Die Idee, mit einer Kunstfigur in eine real existierende Schule zu gehen, um zu schauen, wie es aussieht ganz vorne an der Bildungsfront, hatte Ulmen. Der zwar immer noch nicht wisse, was ein Logarithmus sei, obwohl er im Matheunterricht an der Tafel hart rangenommen wurde, dafür jetzt aber weiß, wie Schülerinnen und Schüler heute ticken, woran Ethiklehrerinnen wirklich glauben und welche Linien Schulleiter mit Pferdeschwanz verfolgen.

 

Nichts wäre für Christian Ulmen einfacher gewesen, als die Schüler der Welt zu rächen, Lehrer zu demontieren, das gesamte Schulsystem in einem Meer aus Spott, Hohn und Häme zu versenken. Doch genau das wir unterlassen, geleitet wird »Jonas« von echtem und ernsthaftem Erkenntnisinteresse an Menschen und Situationen. Neugier und Zuneigung sind Grundhaltungen dieses Films, der eigentlich ein  Weihnachtsfilm ist mit lauter auf ihre Art liebenswürdigen Menschen, nur eben ein paar Tage später.