Das Leben als Nullsummenspiel

Gewaltexzesse und 80er-Neon-Poesie:

Drive von Nicolas Winding Refn

Driver arbeitet in einer Autowerkstatt als Mechaniker. Hat man genug Geld und kennt die richtigen Leute, kann man versuchen, ihn für einen Job zu gewinnen: als Fahrer von Fluchtautos bei Überfällen. Davon lebt Driver – genügsam, zurückgezogen, unauffällig.

 

Werkstattbesitzer Shannon hat allerdings große Pläne: Driver soll Tourenwagen fahren, und da er ein Genie am Lenkrad ist, würden sie so sicherlich viel Geld machen, sehr viel. Bernie Rose und Nino, beides Männer, die die richtigen Leute kennen, sind gewillt, in seine Zukunft zu investieren, zu ihren Konditionen natürlich. Doch so weit kommt es gar nicht. Der Tourenwagen wird nie aus der Werkstatt rollen.

 

Regisseur Nicolas Winding Refn (»Valhalla Rising«) hat es nicht so mit der Mitte. Entweder sind seine Filme Meisterwerke oder Mist – alles oder nichts, etwas anderes kennt er nicht. Das macht ihn immerhin so sympathisch, dass man sich selbst seine Desaster bis zum Ende anguckt. »Drive« passt nicht ganz in dieses Schema: Es ist sein erster Film, dem man beim ersten Mal haltlos verfällt, dabei ahnend, dass er einem zweiten Blick nur bedingt standhält.

 

Beim ersten Mal kennt man die tollen Winkelzüge der Handlung noch nicht – die virtuose Eröffnungsszene lässt von den folgenden 90 Minuten etwas völlig anderes erwarten. Man kann sich an der grandiosen Undurchdringlichkeit der Darstellung von Ryan Gosling ergötzen, der jovial-ehrenhaften Ehrlichkeit in Albert Brooks Auslegung von Bernie Rose, Ron Perlmans ungebrochener Arschlöchigkeit. Man kann aufgehen in der bizarren Mischung aus 60er-Kunstkino-Raffinement und 80er-Neon-Pulp-Poesie, Minimalismus und Exzess.

 

Beim zweiten Sehen fällt aber auf, wie sehr das alles Oberfläche ist – Flächen auf Flächen auf Flächen, Gesten und Rituale ohne Inhalt, reine Form. Vielleicht ist das der Punkt: das Leben als Nullsummenspiel, als Illusion, und die Welt als Tempel voller ausdruckslos einem Gewaltakt zuschauender silikontittiger, wulstlippiger Stripperinnen, in den die Buddhisten des Actionkinos zum Beten gehen. Vielleicht ist es bloß bestes Popcorn-Kino. Auf jeden Fall ist es grandios. Einmal. Danach kommen die Glaubensfragen.