Alles raushauen: Skrillex

Sonische Kraftmeierei ohne emotionalen Tiefgang: Für jemanden wie James Blake mit seinem britisch-distinguierten Musikschulballast auf dem Buckel ist das, was in den USA unter dem Dubstep-Banner gefeiert wird, bloß ein Wettkampf um den dreckigsten, fiesesten Bass-Sound, »ein Weitpisswettbewerb«.

 

An Blakes kürzlich in einem Zeitungsinterview geäußerter Kritik ist etwas dran. Nur hat der junge englische Musiker dabei vor lauter beleidigtem Standesdünkel vergessen, dass ihm seine ersten Basslektionen von nicht gerade zimperlichen Südlondoner Straßenjungs beigebracht wurden. Von denen machen einige wie Skream längst auf Partyradau, dicke Hose und Chart-Erfolg. Was Dubstep-Puristen jedoch viel eher aufstößt, ist, dass US-Produzenten mit bis zur Perversion getriebenen Stilmitteln des Genres eine gigantische Rave-Welle losgetreten haben. Namentlich: Sonny Moore alias Skrillex. Er sieht aus wie eine schlechte Marilyn-Manson-Kopie mit zu großer Brille. Und gilt als der meistgehasste Mann im Dubstep.

 

Skrillex ist auch ein Junge von der Straße. Vom Highway besser gesagt, auf dem er pausenlos auf Tour unterwegs ist, seit er als Teenager herausfand, dass er nicht das leibliche Kind seiner Eltern ist, sondern adoptiert wurde. Mit 16 zog er mit der Band From First To Last im Zeichen des Rock‘n‘Roll durch Konzertläden, heute produziert er vorzugsweise in Flughafen-Lounges elektronisches Geschredder, während er von einem Monsterfestival zur nächsten Tausenderhalle voller ausrastender Rave-Kids tingelt.

 

Dass Skrillex bei allen, die beim Ausflippen nicht mithüpfen wollen, als Antithese zum Dubstep herhalten muss, ist nicht nur historisch etwas kurzsichtig, sondern auch stilistisch unangemessen. Aggressiv verzerrte Wobbelbässe sind für Skrillex nur ein Werkzeug neben anderen, mit denen er am Hysterie-Level dreht. Die Stücke zappen in hohem Tempo durch die Genres und wirken wie Collagen aus wilden Filterfahrten und zerhäckselten Stotter-Beats, aber auch geraden House-Rhythmen und Disco aus der Sample-Schleuder. Zurückhaltung ist nicht die Tugend des 24-jährigen Mr. Moore. Dieser schmale, bleiche, Kette rauchende Typ verschleudert seine Energien, als gäbe es kein Morgen. Skrillex ist pure Gegenwart. Er haut alles raus, jetzt, sofort.