Intensität, ungebremst verkündet

Gonjasufi tritt das Erbe der großen Freaks an

Was ist eigentlich aus dem Freak geworden, der mit Musik und Körper für ein intensiveres Leben im jenseitigen Diesseits stand? Ein wenig ist er verschwunden, wurde eingehegt in eine nostalgische Folkästhetik oder öffentlich vorgeführt als drogensüchtiger Celebrity. Nur manchmal tritt er noch als ungebremster Verkünder von Intensität auf: Gonjasufi ist so ein Fall.

 

Mit etwas glasigen Augen blickt der Sufi durch die Kamera hindurch, um das hagere Gesicht wuchert eine Masse langer, dick verfilzter Dreadlocks. Da pflegt jemand sein Image und zwar gekonnt. Des Sufis Vorbild ist Jimi Hendrix, der sich im Rausch des »Purple Haze« wie kein zweiter an der Gitarre vergriff, um dank einer drogeninduzierten Selbsttechnologie die Grenzen des Rock auszuloten. So entstehen Legenden, und Gonjasufi strickt schon zu Lebzeiten an seiner eigenen. Seine Geschichte passt nicht so recht in eine lebenslauffixierte Musikerexistenz: eigentlich weiß man nur wenig über ihn.

 

Er heißt Sumach Valentine und hat das sonnige Kalifornien irgendwann hinter sich gelassen, um in der Wüste von Nevada seine Yoga-Kenntnisse unter die Menschen zu bringen. »Yoga hat mich die Ruhe gelehrt«, erzählte er einmal. »Es hat meine Stimme geformt.« Diese Stimme ist der Signature Sound von Gonjasufi, letztendlich ist seine Musik nicht viel mehr als sie. Kehlig, nuschelig und ein wenig näselnd zieht sich diese Stimme durch seine Songs. Mal kündet sie von der Existenz außerhalb des eigenen Körpers, mal reimt sie mit der Unschärfe des Dauerkiffers »Zion« auf »Zone«, dann wieder ist sie geerdet und behauptet volle Präsenz.

 

Es war diese Stimme, die die Aufmerksamkeit des Avant-Elektronikers Flying Lotus auf sich gezogen hat. Flying Lotus produzierte »A Sufi and a Killer« (2010), das Debüt von Gonjasufi, als digitales Breitbild-Opus. Fehlerfrei programmierte, hyperkomplexe Arrangements verdichteten sich um den nölenden, aus der Zeit gefallenen Gesang des Sufis und waren ihm zugleich mindestens drei Generationen an elektronischer Musikproduktion voraus. Diese Ungleichzeitigkeit machte den Reiz seines ersten Albums aus. Sie schützte die Kunstfigur Gonjasufi vor dem Abdriften ins Auratische und befreite die Musik von Flying Lotus aus dem selbstgebastelten Byteschieber-Ghetto.

 

Auf Gonjasufis neuer Veröffentlichung »MU.ZZ.LE« haben die Instrumentalspuren zur Stimme aufgeschlossen. Unter dem unverändert nöligen Gesang liegt ein Skelett aus Instrumentalspuren: schleppende Drums, ein spärlich exponiertes Klavier und drängelnde Gitarrenfragmente. Darüber weht das Echo vergangener Musikformeln: Wüstenrock, klaustrophobischer Trip-Hop. Auf »MU.ZZ.LE« ist nicht nur die Figur des Freaks endgültig aus der Zeit gefallen, sondern auch seine Musik.