Würde bewahren im Prekären

Das Forum für Fotografie zeigt neue Arbeiten von Peter Bialobrzeski

Es war ein gutes Programm, das die Amerikaner sich nach dem zweiten Weltkrieg ausgedachten: Im Rahmen von »Case Study Houses« sollten experimentelle und bezahlbare Musterhäuser für Kriegsrückkehrer entworfen werden, mehrere architektonische Meisterwerke sind aus dem programm hervorgegangen. Wie ein ironischer Kommentar dazu wirkt die Serie des Fotografen Peter Bialobrzeskis, die 2008 in Manila entstand: »Case Study Homes« zeigt die Behausungen des Slums shantytown. Notdürftig aus Fundholz zusammengenagelte Buden auf Stelzen; Verschläge aus Gummimatten, die kunstvoll umzäunt sind oder ein zweistöckiges Häuschen, durch dessen Ruinen- und Gerümpelvorgarten Seile mit Kleidern gespannt sind. Es sind Zeugnisse der Armut, des Erfindungsreichtums wie der Verwertungsphantasie, zu der das Weltwirtschaftssystem die Bewohner zwingt. Eine Architektur des Informellen, die Bialobrzeski in strenger Typologie nebeneinanderstellt.

 

Seit Mitte der 90er Jahre verfolgt Peter Bialobrzeski, der in Essen und London Fotografie studiert hatte und lange für Zeitschriften arbeitete, die Wucherungen des globalen Kapitalismus in den neuen Megacities. Während frühere Serien wie »Paradise now!« oder »Lost in Transition« mit scharfen inhaltlichen Kontrasten und dramatisierter Lichtführung operierten, wirken die neuen Arbeiten regelrecht ausgenüchtert. Der Himmel ist meist in neutralem Grauweiß gehalten, der Blick registriert ohne anzuklagen, das Dokumentarische triumphiert über die Ästhetisierung.

 

Das Forum für Fotografie kombiniert unter dem Ausstellungstitel »Habitat« Aufnahmen aus »Case Study Homes« mit Aufnahmen aus den Serien »Informal Arrangements« (Johannesburg, 2009)  und »!Nail Houses?« (Shanghai, 2010), die mit einer ähnlicher Bildstrategie arbeiten. In Südafrika hat sich Bialobrzeski mit dem inneren der informellen Behausungen auseinandergesetzt. Da dienen Werbeplakate als Wand, ein prunkvolles Ehebett mit Paradekissen steht in einer engen Hütte und behauptet noch im Prekären Würde und eine gewisse Bürgerlichkeit.

 

Der Blick rückt hier ganz nah, dringt ins Intimste vor, spart dabei allerdings die Bewohner aus: Schlafzimmertypologie im Slum, die trotz ihres dokumentarischen Ansatzes von einer Sozialstudie weit entfernt ist. Das gilt gleichermaßen für die zum Abriss bestimmten Gebäude der »!Nail Houses?«-Serie, um deren Bestand ihre Bewohner oft bis zum Letzten kämpfen. Im September wird Peter Bialobrzeski  mit dem renommierten Erich-Salomon-Preis ausgezeichnet, in der Ausstellung sieht man warum.