Die beste aller möglichen Städte – Düsseldöln am Rhein, Fotomontage: Manfred Wegener

Geheuchelte Hassliebe

Ein neues Buch räumt mit der Rivalität zwischen Köln und Düsseldorf auf

Kölsch oder Alt? FC oder Fortuna? Dom oder Schloss­turm? Für viele Kölner und Düsseldorfer sind das nicht nur Geschmacksfragen. In beiden Rheinstädten ist kaum eine Karnevalssitzung  vorstellbar, die ohne Witze auf Kosten des Nachbarn auskommt. Dabei wird immer wieder darauf verwiesen, dass das Konkurrenzverhältnis bereits seit Jahrhunderten bestehe. Angeblich, so hört man bis heute, habe es schon 1288 mit der Schlacht von Worringen angefangen, als die Kölner Bürger sich gegen ihren Erzbischof erhoben. Nicht die einzige Behauptung, die der neue Sammelband »Düsseldorf – Köln« widerlegt. Wenn von der »gepflegten Rivalität«, so der Untertitel des Buchs, zwischen Köln und Düsseldorf die Rede ist, ist es mit der historischen Wahrheit oft nicht weit her, weiß der Leiter des Düsseldorfer Stadtarchivs Clemens von Looz-Corswarem. In seinem Beitrag zeichnet er die höchst unterschiedliche Entwicklung beider Städte nach.

 

Demnach haben sich die Düsseldorfer und Kölner 1288 keineswegs bekämpft, sondern sind gemeinsam und einträchtig zu Felde gezogen. Darüber hinaus, so von Looz-Corswaren, verbiete sich bis ins 19. Jahrhundert sowieso jeder Vergleich zwischen beiden Städten. Denn dafür war das Heilige Colonia viel zu übermächtig, es galt seit dem Hochmittelalter als unbestrittene Nummer eins am Rhein. Eine Vormachtstellung, die Köln nicht nur seiner religiösen und politischen Bedeutung zu verdanken hatte, sondern auch einem Handelsprivileg von 1259, wonach in der Domstadt alle Waren der Rheinschiffer umgeladen und zum Verkauf angeboten werden mussten. Ein höchst einträgliches Geschäft für die ansässigen Kaufleute, das Köln reich machte.

 

Alle Klagen vor dem Reichsgericht halfen den Nachbarn lange nichts. Erst 1831, nach fast sechshundert Jahren, verlor Colonia das sogenannte Stapelrecht – und damit sein Handelsmonopol am Niederrhein. Erst jetzt durfte auch Düsseldorf überhaupt ins Schifffahrtsgeschäft einsteigen und wuchs zum ernsthaften Rivalen heran. »Köln stagnierte nun auf hohem Niveau, Düsseldorf holte Schritt für Schritt auf«, resümiert der Historiker Horst Wessel diesen Einschnitt. Der rasante Aufstieg der deutlich kleineren Residenzstadt verdankte sich allerdings auch den preußischen Besatzern, die ab 1815 vom fernen Berlin aus das Rheinland regierten. Anders als Köln wurde Düsseldorf nicht zur Festungsstadt ernannt und musste deswegen auch weder seine Stadtmauer behalten noch das Gelände ringsum für eventuelle Kriegsmanöver frei lassen. So blieb für Düsseldorf in Zentrumsnähe viel Platz für Fabriken, während sich die Industrie in Köln weit außerhalb der Stadtmauern ansiedeln musste. »Das war natürlich ein großer Wettbewerbsvorteil für Düsseldorf«, schreibt Herausgeberin Annette Fimpeler. »Hier konnten die Industriellen des Ruhrgebiets besser ihren Geschäften nachgehen, das lockte bald auch Banken in die Stadt.«

 

Vor allem die Industrialisierung und der Ausbau des Eisenbahnnetzes bescherte Düsseldorf dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen grandiosen Wirtschaftsboom. Plötzlich war man auf Augenhöhe mit dem viel größeren Köln und trat in offenen Wettstreit: sei es mit der ersten Eisenbahnstrecke, der ers­ten Dampfschifffahrtslinie, dem größten Hafen oder der spektakulärsten Messe-Schau. Die Konkurrenz war oft anspornend, nahm manchmal allerdings auch bizarre Formen an, etwa im Fall der beiden Dampfschifffahrts-Gesellschaften. Deren Kapitäne, schreibt Annette Fimpeler, lieferten sich auf dem Rhein schon bald derart waghalsige Wettfahrten, dass es immer öfter zu Havarien kam. Als 1831 die Kölner »Leopold« bei Aßmannshausen auf Grund lief und der Düsseldorfer Dampfer die verunglückten Passagiere aufnahm, erkannten die Kölner Gesellschafter selbst darin noch einen feindlichen Akt und forderten vom Oberpräsidenten der Rheinprovinz eine »Maßregelung der Düsseldorfer Kapitäne«.

 

Irgendwann aber siegte schließlich doch die Vernunft:  Beide Betreiber schlossen sich 1853 zur gemeinsamen Linie »Köln-Düsseldorfer« zusammen. Eine Kooperation, wie sie inzwischen auch in anderen Sparten, etwa dem Hafenbau und der Messe, immer öfter vorkommt. »Man ist heute pragmatisch genug, dann zusammenzuarbeiten, wenn es dem gemeinsamen Nutzen dient, und dann den Spannungsbogen aufzubauen, wenn es die Selbstfindungskräfte stärkt,« lautet das versöhnliche Fazit des Sammelbandes, der die bundesweit wohl einmalige Städte-Rivalität angenehm seriös und wissenschaftlich untersucht, ganz ohne Häme und ohne die Karnevalstypischen Gags.

 

 

Annette Fimpeler (Hrsg.): Düsseldorf – Köln. Eine gepflegte Rivalität. Greven Verlag, Köln 2011, 304 S., 19,90 Euro