Gewächshaus der freien Szene: Die Orangerie im Volksgarten, Foto: Manfred Wegener

Kübelpflanzen und Fliegenfänger

Die Orangerie gehört zu den wichtigsten Spielstätten der freien Szene. Doch der Bau ist völlig heruntergekommen. Nachdem die Verwaltung in Aussicht gestellte Mittel des Landes nicht beantragt hat und die Dezernate sparen müssen, herrscht Ratlosigkeit, wie es weitergehen soll

Die Orangerie ist ein Lichtblick. Eine Oase.  Ein Sahnestück der Kölner Theaterlandschaft. Was immer der Tanz oder das Sprechtheater verlangen, die variable Bühnenanlage der Orangerie trägt dem Rechnung. Dazu besitzt die Lage im Volksgarten eine Aufenthaltsqualität, von der viele Häuser nicht einmal zu träumen wwagen. »Die Orangerie ist ein außerordentlich wichtiger Spielort, weil sie sich als eines der wenigen Häuser in Köln für performatives Theater wie wir es machen besonders gut eignet«, sagt Daniel Schüßler vom Analogtheater, das zu den elf Gruppen gehört, die als Residenzkünstler die Bühne im Volksgarten regelmäßig bespielen. Bühnen wie die Orangerie sind Mangelware in der Kölner freien Szene, zu deren Standard eher die schuhschachtelgroße Sichtbox gehört.

 

Die Orangerie ist eine Bruchbude. Ein Gefrierschrank. Eine Zumutung mit dem Aussehen eines Gründerzeitbaus aus der späten DDR. Seit 2006 wird um den Umbau des Gebäudes gerungen, dessen Dach undicht ist; das über zu wenig Heizkörper und keinerlei Isolierung verfügt; das im Winter nicht bespielt werden kann und das über Abwasserleitungen verfügt, die bei starkem Regen regelmäßig überlaufen. Als sich vor sieben Jahren die Decke zwischen Keller und Erdgeschoss absenkte, ließ das Bauaufsichtsamt das Theater kurzerhand schließen. Die Schäden wurden repariert, doch seitdem ist von städtischer Seite nichts geschehen — obwohl alle, ob Politik oder Verwaltung, sich vehement für den Erhalt der Orangerie aussprechen.

 

Die Gründe liegen zunächst in unklaren Dezernatszuständigkeiten. Die Orangerie ist Teil des Volksgartens und fällt somit in die Zuständigkeit des Grünflächenamts. Die Kölner Rasenpfleger haben das Haus bis zum Jahr 2000 als Kübelpflanzendepot genutzt und es dann dem Verein Orangerie e.V. als Spielstätte überlassen. »Von vornherein hat uns das Grünflächenamt signalisiert, dass wir die Orangerie zwar nutzen dürfen, aber keinen Anspruch darauf haben, dass der Eigentümer das entsprechend instandhält«, sagt die Vereinsvorsitzende und Geschäftsführerin Hiltrud Cordes. Das Geld für das Theaterprogramm wiederum kommt aus dem Kultur­amt, das die Bühne mit 75.000 Euro unterstützt, aber nicht für Gebäudesanierungen zuständig ist. Bliebe die Stadtkonservatorin, denn das Areal ist Bestandteil der früheren preußischen Festungsanlage und steht unter Denkmalschutz: Früher war dort ein Pulvermagazin untergebracht, später wurde es zur Villa umgebaut, dann als Depot und schließlich als Spielstätte genutzt; Teil des Denkmals sind außerdem so genannte Lünetten sowie einige Erdwälle. Schließlich könnte sich auch das Amt für Gebäudewirtschaft zuständig fühlen, das zahlreiche städtische Liegenschaften verwaltet und saniert.

 

Zuständig fühlt sich aber bisher vor allem der Betreiber Orangerie e.V. 2006 lässt der Verein vom Büro raumwerk.architekten einen Sanierungsplan erarbeiten, der die Orangerie als Theaterspielort optimieren, die Befestigungsanlage denkmalgerecht sanieren soll und für die angrenzenden Gewächshäuser ein Café vorsieht. Der Entwurf orientiert sich am Programm »Initiative ergreifen« des NRW-Wirtschaftsministeriums; eine Maßnahme, die Städtebaufördermittel bereitstellt für Projekte, die Denkmalschutz mit Kultur und bürgerschaftlichem Engagement verbinden. Das Orangerie-Konzept wird mit Hilfe einer Agentur zur Antragsreife gebracht und erhält im September 2009 den Ritterschlag: Ein Ministeriums-Beirat empfiehlt, die Sanierung mit 1,2 Millionen Euro zu fördern; ein knappes Jahr später stellt die NRW Stiftung weitere 250.000 Euro in Aussicht. Was noch fehlt, ist die Bereitschaft der Stadt Köln, sich mit zehn Prozent an der Bausumme von 1,7 Millionen Euro zu beteiligen.

 

Alles gut? Im Gegenteil. Den Antrag auf Städtebaufördermittel beim Land NRW kann nur die Kommune stellen, doch das Kölner Kulturamt weigert sich. Erstaunlich angesichts der derzeitigen Haushaltslage. Die Ablehnung begründet Kulturamtsleiter Konrad Schmidt-Werthern so: »Wir müssten über 15 Jahre für eine Veränderung im Betriebskonzept der Orangerie haften und außerdem den Betriebskostenzuschuss signifikant erhöhen — beides wollten wir nicht tun.« Im Fall von Städtebaufördermaßnahmen bindet sich die Kommune für mindestens 15 Jahre an den Nutzungszweck, im Fall der Orangerie sowohl für das Konzept als Theaterspielstätte wie als Begegnungsstätte.

 

Letzteres ist nicht unproblematisch, das Haus wird schon jetzt immer wieder für Hochzeiten vermietet und hat sich Beschwerden von Anwohnern der Volksgartenstraße wegen Lärmbelästigung eingehandelt. Die notwendige Erhöhung des Betriebskostenzuschusses bestreitet Hiltrud Cordes, der Verein wäre mit den bisherigen 75.000 Euro ausgekommen. Die Vereinvorsitzende spricht vom spürbaren »Widerstand bei Gesprächen im Kulturamt«. Über die Absage des Kulturamts hat man sich schließlich auch im NRW-Wirtschaftsministerium gewundert. Heike Dongowski, stellvertretende Pressesprecherin, drückt es höflich aus: »Das kommt nicht allzu häufig vor«.

 

Das Kulturamt agiert derzeit wie ein erschrecktes Kind, das sich heftig die Finger verbrannt hat. Die heißen Herdplatten heißen Filmhaus und Comedia. Beide wurden mit Städtebaufördermitteln umgebaut, beim Filmhaus trieb das Tohuwabohu im Trägerverein die Verwaltung zur Weißglut; beim Kinderkulturhaus in der Südstadt musste dagegen der Betriebskostenzuschuss mehr als verdoppelt und rund zwei Millionen Euro für den Bau an der Vondelstaße nachgeschossen werden.

 

Für Schmidt-Werthern steckt darin ein grundsätzliches Problem: »Ich kann nicht operativ steuern, hänge aber am Fliegenfänger, wenn es schief geht.« Will heißen, der Stadt mangelt es an Einfluss auf Vereine, die stadteigene Immobilien anmieten, umso mehr, wenn diese mit Städtebaufördermitteln saniert wurden. Bei den Theatern dürfte das auch so bleiben: Fast alle Parteien sind mit Trägervereinen verbandelt und versuchen, ihre Klientel zu schützen. Ein Fakt, der es schwer macht, die Erbhöfe durch eine zeitlich begrenzte Nutzung zu verhindern oder Einfluss auf die Auswahl der künstlerischen Leitung zu nehmen.

 

Die Vorsitzende des Kulturausschusses Eva Bürgermeister (SPD) sieht bei der Orangerie die Gefahr, dass die Bindung auf 15 Jahre zu Lasten der Theaterförderung gehen würde und sagt: »Die Flexibilität in der Nutzung der Räume muss gegeben sein«. Auch Brigitta von Bühlow von den Grünen, die persönlich den Erhalt der Orangerie für wichtig hält, zuckt bei der Langfristigkeit zurück und warnt vor den »Kosten, die auf die Stadt zukommen«. Ralph Elster (CDU) dagegen hält aufgrund des Bedarfs an Spielorten die fünfzehnjährige Verpflichtung für verkraftbar: »Die Bindung gehen wir auf jeden Fall ein.«

 

Lange hatte sich allerdings auch die CDU kaum für die Orangerie interessiert, bis sie dann im Mai 2011 im Rat forderte, die Städtebaufördermittel für die Orangerie doch noch zu beantragen – und damit in Widerspruch zur CDU-nahen Kulturverwaltung trat. Der Antrag wurde von SPD und Grünen abgelehnt und durch einen eigenen Antrag ersetzt, der eine Kalkulation für die denkmalgerechte Sanierung der Orangerie sowie die Einrichtung als Theaterspielstätte einforderte.

 

Die Kulturverwaltung legte daraufhin im Dezember aktualisierte Sanierungszahlen nach dem Entwurf von raumwerk.architekten vor. Im rot-grün dominierten Finanzausschuss wurde das Zahlenwerk jedoch als veraltet abgelehnt. Das Procedere ähnelt derzeit einer trostlosen Politscharade. Die Sanierung der Orangerie wurde ohne Beschluss in die Haushaltsverhandlungen verwiesen. Die Warnungen der Kämmerin vor einem Nothaushalt und die Sparauflagen für die Dezernate dürften allerding wenig Spielraum lassen. Das Grünflächenamt kann ja schon mal die Kübelpflanzen bereit stellen.