Taraf de Haïdouks

Muhammad Ali war bekanntlich schneller als das Licht, ging er abends zu Bett und drückte vorher den Lichtschalter, lag er schon unter der Decke, ehe das Licht verlöschen konnte. So muss man sich die Musik des Taraf de Haïdouks – des Orchesters der Heiducken – vorstellen: Die fiedeln so schnell, dass das Konzert schon beendet ist, ehe der erste Zuschauer überhaupt in den Konzertsaal gekommen ist. Die 13-köpfige (sagt Wikipedia, es können aber auch mal weniger, mal mehr Musiker sein) Roma-Combo aus der rumänischen Walachei spielt dermaßen aberwitzig, dass es wirklich nicht auffiele, wiederholten sie ihr Set mehrmals am Abend.

 

Musik von Roma-Kapellen hat in ganz Westeuropa – einen lang anhaltenden Hype erlebt. Das lag und liegt natürlich an der Musik selbst, die einerseits so radikal mit unseren Hörgewohnheiten bricht rasend schnell, vertrackte Rhythmen, polyphon, eben einzuordnen zwischen Indien, dem Nahen Osten und Belgrad. Dabei andererseits sehr harmonieselig klingt und deswegen irgendwie vertraut. Das lag und liegt aber auch an bestimmten Bildern, die diese Musik (unfreiwillig) transportiert: Bilder vom wilden, ungezügelten Leben, chaotisch, aber liebenswert, ärmlich, aber würdevoll. Stimmt natürlich alles nicht, denn die idyllischen Dorfgemeinschaf­ten – so es sie denn je gegeben hat – sind zwischen neoliberalem Kahlfraß und nationalistischem Wahn der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft zerrieben worden.

 

Taraf de Haïdouks reagiert darauf nicht explizit politisch, sondern – und dies angenehm konsequent – musikalisch. Denn »heimatlich« sind ihre Stücke nicht. Die Gruppe lädt häufig Gastmusiker aus der Türkei oder Bulgarien ein, lässt den Fundus der lokalen Musikgeschichte hinter sich und arbeitet an der universellen Balkanisierung, im besten Sinne ein Mix, wie man ihn von einem ausgefuchsten DJ kennt. Ihre Musik ist keine Beschwörung einer imaginären Vergangenheit, sondern der Beginn einer eigenen Geschich­te, einer neuen Tradition. Seit zwanzig Jahren nehmen sie schon Alben auf. Formschwankungen? Keine. Ihre Kreativität scheint unerschöpflich.