Die große ­Summe

Mit zungenbrecherischem ­Namen auf der Höhe der Zeit: Sbtrkt

Der Name ist missverständlich. Sbtrkt (sprich: Subtract) ist nicht etwa der große Weglasser. Er zieht im Gegenteil einen fetten Strich unter alles, was man im sogenannten Post-Dubstep-England von Subbassfrequenzen über R’n’B-Streicheleinheiten bis hin zu Mainstream-Melodien gerade auf dem Zettel haben sollte und summiert alles auf. Und zur ohnehin schon ansehnlichen Summe schlägt er jeweils noch einen Teil Pop, Funk und Ohrwurm drauf. Es mag ein wenig überschwänglich kalkuliert sein, wenn Sbtrkt von der BBC als »the promise of this decade‘s Timbaland« angepriesen wird. Richtig ist auf jeden Fall, dass der Londoner Produzent, mit bürgerlichem Namen Aaron Jerome, in seinen Laptop-DJ-Sets gerne Dubstep mit Missy-Elliott-Tracks zusammenkloppt oder Speed Garage mit House verknotet und auch sonst einiges durcheinander würfelt.

 

Dieses hyperaktive Stilhopping findet sich auch in seinen eigenen Produktionen wieder. Im vergangenen Sommer erschien beim Label Young Turks Sbtrkts selbstbetiteltes Debütalbum: vielfältig, catchy, überbordend und mit einer ganzen Reihe von Gästen am Mikrofon. In ein derartiges Allerlei könnte sich schnell der Verdacht von Charakterlosigkeit schleichen. Aber die macht Sbtrkt einerseits mit seinem star­ken visuellen (Anti-)Image wett – selbst gezimmerte Fantasiefolklore-Maskerade vom Fein­sten –, zum zweiten liegt die Qualität in diesem Fall gerade im Durcheinander: in der Fülle von Details und Genresplittern, die in Sbtrkts Musik mal in diese, mal in jene Richtung zeigen, zusammengenommen aber alles konsequent mit Pop-Dance-Schwung vorantreiben.

 

Live bringt Aaron Jerome die Stücke mitunter in vierköpfiger Bandbesetzung inklusive Keyboarder und Schlagzeuger auf die Bühne, auf jeden Fall aber mit seinem treuesten Zuträ­ger, dem Sänger Sampha. Der scheint den Soul in seiner Stimme gepachtet zu haben und verleiht den Stücken im Zweifelsfall die entscheidende Dosis Schmelz, um selbst noch im Frühstücksradio funktionieren zu können. Was nur ein weiteres Mal beweist: Die Untergrundgewächse aus dem briti­schen Hardcore-Continuum sprie­­­ßen derzeit nur so Richtung Charts-Himmel und tragen üppi­ge Früchte.

 

Bei Sbtrkt stimmt also alles, fast alles zumindest. Bis auf den Schönheitsfehler, dass die Rechnung mit dem Projektnamen nicht wirklich aufgeht. Denn auch die offiziell verlautbarte Erklärung dazu – Ziel sei, eine rein musikalische Identität zu schaffen und die Privatperson ihres Schöpfers davon abzuziehen, erklärte der Maskenmann in Interviews – leuchtet irgendwie nicht ein. Sbtrkt hat Persönlichkeit. Und wie!