Boulevard des Beiwerks

Die Photokina-Leitung will die »Visual Gallery« abschaffen. Der Kölner Fotoexperte und Verleger Markus Schaden erklärt im Interview, was davon zu halten ist: Nichts.

Die News kam im Januar, und nicht nur Renate Gruber, Sammlerin und Ehefrau der verstorbe­nen Kölner Fotolegende L. Fritz ­Gruber, schüttelte den Kopf: Die Messeleitung gab bekannt, dass die weltweit größte Fotomesse künftig auf den Bereich für Fotokunst, die so genannte »Visual Gallery«, verzichten wird. Die »Visual Gallery« ist die Nachfolgerin der legendären »Bilderschauen«, die L. Fritz Gruber mit der Gründung der Messe 1950 ins Leben rief, um die Technik auf der einen und das künstlerische Bild auf der anderen Seite miteinander zu verbinden.  Stattdessen sollen im neuen »Boulevard of Competition« lediglich die Bildinstallationen der führenden Profi-Wettbewerbe präsentiert werden. Der Eintritt wird nicht mehr frei sein – wer die Bilder sehen will, muss den vollen Messepreis zahlen. Der Fotobuchhändler Markus Schaden hat bereits erklärt, dass er künftig auf die Messeteilnahme verzichtet.

 


StadtRevue: Für viele kam das Aus für die »Visual Gallery« überraschend. Für dich auch?

 

Markus Schaden: Ich war bei der letzten »Visual Gallery« mit einer Installation von Ed van der Elsken vertreten und habe da schon mitbekommen, dass es Kürzungen beim Budget und deshalb auch keine Eröffnungsveranstaltung mehr gegeben hatte. Insgesamt hatten wir schon vorher mit Einschnitten zu kämpfen, so dass ich die Entwicklung schon befürchtet habe.

 

Hätte es denn Möglichkeiten gegeben, die »Visual Gallery« zu retten?

 

Möglichkeiten gibt es immer. Die »Visual Gallery« wurde ja selbst vor zehn Jahren reaktiviert, um die Tradition der zwischenzeitlich eingestampften »Bilderschauen« wieder aufzunehmen. Es stellt sich natürlich die Frage, ob man da nicht am Ball hätte bleiben müssen. Entscheidend ist dabei immer: Wie groß ist der Wille, diesen kulturellen Teil, der an dieser reinen Technikmesse andockt, am Leben zu halten?

 

Ist das wieder so eine typisch Kölner Geschichte, dass man etwas leichtfertig verspielt, weil man es nicht zu schätzen weiß?

 

Die Vermutung liegt nahe. Wer sind denn die Entscheidungsträger, die am Ende sagen: Wir beenden die »Visual Gallery«? In der Geschichte der Kölner Nachkriegskultur waren es immer wichtige Einzelpersonen, die bestimmte Visionen hatten. Denken wir an den Kulturdezernenten Kurt Hackenberg, und eben auch an L. Fritz Gruber, ohne dessen Ausstrahlung und Drive das alles eben auch nicht passiert wäre, sein Name steht für den Fotostandort Köln. Dezernent Georg Quander hingegen ist wohl nicht so der große Fotoliebhaber. Und wer steht da auf der Seite der Messe? Vielleicht ist das gerade das Problem – ich kenne die ja noch nicht einmal.

 

Kann denn der »Boulevard of Competitions« ansatzweise ein Ersatz für die »Visual Gallery« werden?

 

Der »Boulevard of Competitions« ist doch bloß ein Notnagel, damit niemand von der Messe sagen muss, man würde gar nichts mehr machen. Es war gerade die Stärke, dass die »Visual Gallery« in der Halle 1 einen eigenen Platz hatte. Nun sollen die Fotos der Profi-Wettbewerbe zwischen den Technikhallen in einem Durchgangsbereich gezeigt werden: Die Bilder werden zum Beiwerk, und der Raum für Neuentdeckungen, für junge Debütanten, geht vollkommen verloren.

 

Es geht also darum, die ausstellende Industrie zu befriedigen, damit die ihre Fotowettbewerbe werbewirksam präsentieren können?

 

Klar. Ich habe schon vor ein paar Jahren versucht, die Leute von Fuji und so für bestimmte Projekte zu begeistern, aber ... (­seufzt)  »Controlling makes the Rules«. Die Zeiten der Visionen sind vorbei. Es gibt schmale Budgets, Langzeitdenken wird da nicht mehr praktiziert.

 

Vielleicht leben wir aber auch einfach in anderen Zeiten als Gruber vor sechzig Jahren:  Müssen sich Menschen vielleicht gar nicht mehr Fotos als aufwändige Wandinstallationen angucken, weil man eh alles im Internet anschauen kann?

 

Ich bin der festen Überzeugung, dass trotz aller Netzaktivitäten und digitalen Möglichkeiten der persönliche Austausch von enormer Wichtigkeit ist. Ich selbst habe auf der »Visual Gallery« viele Leute kennen gelernt – von Peter Lindbergh über Jim Rakete bis Thomas Hoepker. Es sind gerade diese Begegnungen, die einem den Spirit geben – gerade auch für die Leute, die nicht dauerhaft im Foto-Business tätig sind. Wir haben damals am Buchstand Signierstunden veranstaltet, da kamen Leute, die noch nie ein Buch von Martin Parr gesehen hatten und plötzlich total begeistert waren. Die wurden infiziert und blieben dran. Deshalb: Die »Visual Gallery« war nicht nur eine Ausstellungs-, sondern auch eine Begegnungsstätte. Die zu kappen kann gefährlich sein.