Livestimmung im Publikum

Torge Kübler zeigt das erste Kölner Stück Nis-Momme Stockmanns

im Keller Theater

Zwei Männer und eine Leiche, da ist, theatermäßig gesehen, alles drin. In diesem Stück sind die Männer Brüder und ein bisschen entfremdet. Der Tote ist ihr Vater. Die Söhne reagieren überfordert: Was machen sie jetzt, Bestatter anrufen oder erst mal aufräumen? Gedichte des Dahingeschiedenen zur Kenntnis nehmen – oder besser einfach übergehen?

 

Stockmann gilt als große Hoffnung der neuen deutschen Dramatik, war 2010 Nachwuchs-Autor des Jahres, wurde vom Schauspiel Frankfurt mit einer Hausautorenschaft über drei Jahre gleich sicher gestellt.

 

Man lobt seine unprätentiöse Schreibe, den Blick auf die kleinen, zwischenmenschlichen Momente. In »Die Ängstlichen und die Brutalen« geht es um Selbstverständlichkeiten: um die unausweichliche Aussicht, als Leiche zu enden, mit allen unappetitlichen Begleitumständen; und, auch da kann wohl jeder mitreden, um Rivalitäten und Festlegungen im System Familie.

 

Regisseur Torge Kübler war das offensichtlich nicht genug. Also hat er im »ersten Stockmann in Köln überhaupt«, so die Werbung des Keller Theaters für die Inszenierung, viel gestrichen, viel dazugefügt und dem Stück eine Metaebene verpasst.

 

Wir sehen nicht mehr zwei Brüder, die slapstickmäßig oder grausam realistisch einen toten Körper durch die Gegend hieven. Sondern zwei Schauspieler, die über Theater und Wirklichkeit philosophieren und sich zu Clowns machen; die die vierte Wand als Herausforderung an einen Pantomimen begreifen und sich durch sechs Vorhänge, als seien es Schichten der Wirklichkeit, hindurcharbeiten; die auch mal die Brüder spielen und das Publikum, diese verdammten passiven Konsumenten, als Leiche einbeziehen, was bei der Premiere zu etlichen Glucksern und sichtlichem Vergnügen bei den hinzugewonnen Kadavern führte.

 

Vor allem zu Beginn ist diese Inszenierung eine sehr unterhaltsame Theaterattacke, die von der Spannung zwischen dem clownesken Schnellredner Jean Paul Baeck, der nicht von ungefähr den Namen »Pollesch« fallen lässt, und dem hüftsteif angelegten Aggro-Bruder lebt.

 

Es kommt Livestimmung auf, wenn der kulleräugige Baeck auf Einwürfe vom Parkett reagieren kann, und man spürt einen Hauch vom »aktiven Rezipienten«, nach dem sich der Dramatiker Stockmann sehnt, wie er sagt. Nur dass der Rezipient doch ziemlich zugetextet wird.

 

Was der Abend eher nicht erfüllt: den Anspruch, der in der Ankündigung vom »ersten Stockmann in Köln überhaupt« mitschwingt. Dafür bietet er die öffentlich sichtbare Auseinandersetzung zwischen engagiertem Regieteam und Text.