Noch grau, demnächst bunt: Landtag in Düsseldorf, Foto: Christian Ditsch?/?Version

Es könnte bunt werden

Am 13. Mai ist Landtagswahl. Das kam für alle überraschend. Wir haben einen Journalisten und Politikwissenschaftler um seine Meinung gebeten: Frank Überall erklärt die Kölner Sicht auf die NRW-Wahl.

Eigentlich wollten sie nur einen Haushalt verabschieden. Wenige Stunden später waren die Abgeordneten im Düssel­dorfer Landtag ihren Job los. Weil keine Mehrheit für den Etat gefunden wurde, löste sich das Parlament kurzer­hand auf. Hatte sich die rot-grüne Minderheitsregierung ihre Stimmen bisher immer zusammengesucht, weder FDP noch Linke wollten diesmal bei ihrem Haushalt mitmachen, die CDU schon gar nicht. Die hatte sogar schon gegen die Verschuldungspolitik von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) geklagt. Genüsslich schauten die Unionsabgeordneten dabei zu, wie die mehrheitslose rot-grüne Regierung plötzlich die Kündigung bekam. Nur eine Stimme fehlte zur Mehrheit.

 

Mehrheitsbildung bleibt wechselhaft

 

Jetzt hoffen alle darauf, dass es im Landtag bald keine Minderheitsregierung mehr, sondern eine klare Mehrheit geben wird. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Umfragen zufolge startete Rot-Grün mit einem deutlichen Vorsprung vor allen anderen Parteien in den Wahlkampf.

 

SPD und Grüne hoffen darauf, gemeinsam eine regierungsfähige Koalition bilden zu können. Die FDP dürfte mit ihrer Etat-Verweigerung hoch gepokert haben, denn sie könnte ganz aus dem Landtag fliegen. Auch für die Linke wird es eng, wenngleich chancenreicher. Neuer Player im Parlament könnten die Piraten sein, mit denen nach Ansicht der anderen Parteien aber kaum »Staat zu machen« ist. Je nachdem, wie viele Prozentpunkte die einzelnen Parteien noch einheimsen, könnte es ziemlich bunt werden im Landtag. Die Zeit der wechselnden Mehrheiten dürfte dann weitergehen.

 

In Meinungsfragen auch mal sprunghaft

 

Im Wahlkampf trumpfen die verschiedenen Parteien gewohnheitsmäßig mit Maximalforderungen auf. Das beste Beispiel dafür liefert die CDU: In ihrem Sparkatalog zur Beratung des umstrittenen Haushaltsplans hatte sie unter anderem gefordert, die Studiengebühren wieder einzuführen und die Beitragsfreiheit für das dritte Kindergartenjahr abzuschaffen. Beides hätte Millionen-Verbesserungen für die Landeskasse gebracht.

 

CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen rückte jedoch von diesen Forderungen später formal wieder ab. Grundsätzlich hält er Studiengebühren immer noch für richtig, aber man wolle sie nach einem Wahlsieg nicht gleich wieder einführen. Dem Magazin Der Spiegel versprach er zudem, dass bei einer CDU-geführten Regierung in NRW auch Schulen, Kindergärten und Polizei nicht mit finanziellen Einschnitten zu rechnen hätten.

 

Wo dann sonst gespart werden soll? Röttgen übt sich in wahlkämpferischer Wortweichspülerei: »Es gibt irrsinnige Verwaltungsbereiche, von denen man keine Vorstellung hat.« Konkretisieren wollte er diese Aussage nicht.

 

Ohnehin ist die Frage, was Wahlkampfversprechen ab dem 14. Mai noch wert sein werden. Im zeitverkürzten In­stant-Wahlkampf versucht jede Partei, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Grünen beispielsweise liebäugeln mit einem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen. Alleine werden sie das kaum durchsetzen, und die SPD als Koali­tions­partner wird da wohl auch eher nicht mitmachen.

 

Die großen Wahlthemen: Wohnen und Verkehr in NRW

 

Bei anderen Themen gibt es dagegen traditionell große Schnittmengen zwischen Roten und Grünen: So wollen beide das Sozialticket für Busse und Bahnen einführen. In Köln gibt es das schon, weil der Stadtrat Geld dafür bereitgestellt hat. Im Umland allerdings wurde der Tarif für sozial Schwächere erst mal auf Eis gelegt, weil keine Landeszuschüsse dafür zur Verfügung stehen.

 

In problematischen Kölner Stadtteilen wie Chorweiler, Finkenberg oder Kölnberg könnte eine Initiative der rot-grünen Parlamentsfraktionen mittelfristig für Verbesserungen sorgen: Eine Enquete-Kommission soll sich auch in der neuen Legislaturperiode um so genannte »Wohnungsheuschrecken« kümmern. Das sind private Inves­toren, die ganze (Hochhaus-)Siedlungen aufkaufen, jahrelang Mieten kassieren, aber nahezu kein Geld in die Instandhaltung stecken. Manche dieser Wohnungen sind deshalb schon unbewohnbar. Rechtliche Mittel haben Politiker wie Behörden dagegen noch nicht gefunden. Experten sollen in der Kommission nun nach Möglichkeiten der Disziplinierung suchen.

 

Dass vor allem in einer Millionenstadt wie Köln bezahlbarer Wohnraum fehlt, wollen die Parteien mit unterschiedlichen Konzepten bekämpfen. Vor allem die Sozialdemokraten machen sich für mehr sozialen Wohnungsbau stark, der vom Land gefördert werden soll. Die CDU dagegen setzt vorzugsweise auf die Förderung attraktiver Eigenheime.

 

Einigkeit herrscht bei nahezu allen Parteien, dass rund um Köln mehr für die Bahn getan werden muss. Es gibt viel zu wenig Schienen, die immer mehr Züge aufnehmen müssen. S- und Regionalbahnen bleiben deshalb oft lange auf freier Strecke stehen und verspäten sich. Neue Gleise sollen dazu beitragen, dass das rheinische Bahn-Nadelöhr bald entschärft wird.

 

Knapp bei Haushaltskasse, aber noch nicht pleite

 

Letztlich stehen alle vor der Frage, wie man die steigenden Ausgaben des Landes NRW überhaupt finanzieren soll. Die nächste Koalition in Düsseldorf wird mit Sicherheit kein Wunschkonzert für Wählerinnen und Wähler veranstalten können. Sollte aber eine klare Mehrheit zustande kommen, könnte die direkt loslegen: Bis zur nächsten Landtagswahl in fünf Jahren ist es noch lange hin, bis dahin könnte auch Unpopuläres beschlossen werden. Welche Vorstellungen die verschiedenen Vertreter davon haben, lässt sich aus den eilig zusammengezimmerten Wahlprogrammen nicht so richtig herauslesen.

 

Richtig gut wird es für Köln wohl in keiner Konstellation aussehen: Übernimmt die Union die Federführung in einer Regierung, wird man sich auf eisernes Sparen einstellen müssen. Wenn die SPD am Ruder bleibt, wird der »Stärkungspakt Kommunen« wohl fortgesetzt. Aus dem Topf bekommen vor allem die Städte und Gemeinden Geld, die hoffnungslos überschuldet sind. Davon gibt es schließlich reichlich, vorzugsweise im Ruhrgebiet. Die Kölnerinnen und Kölner dürfen dagegen Hoffnung haben: Noch sind die »Miesen« nicht so hoch, dass die Bezirksregierung einen Nothaushalt verfügt hat.

 

Einigkeit im Kölschen Konsens

 

So ist es auch kein Wunder, dass traditionell die Abgeordneten aller Parteien aus Köln einen lokalpatriotischen Grundkonsens haben: Wenn es darum geht, Zuschüsse oder Projekte ins Rheinland zu holen, versuchen sie gemeinsam etwas in Bewegung zu bringen. Das Phänomen wurde schon als »Köln-Fraktion« beschrieben, als eine Art positiver Klüngel für die örtliche Wählerbasis.

 

Wer die in Zukunft vertreten darf, ist aber völlig offen. Die Karten werden neu gemischt. Für manche Abgeordneten droht das bitter zu werden: Viele haben vor vierzehn Monaten ihren Beruf aufgegeben, weil sie fest damit gerechnet hatten, fünf Jahre lang hauptberuflich Politik machen zu dürfen. Dass der Landtag sich einfach auflöst, gehörte nicht in die persönliche Karriereplanung. Pech also für diejenigen, die plötzlich aus dem Parlament fliegen, weil sie nicht wieder gewählt werden.