Der Mann, der vom Himmel fiel
Das südchinesische Dorf »Dreiköpfiger Vogel« steht Kopf: Auf einem nahgelegenen Feld taucht aus heiterem Himmel ein Ausländer auf, der, das meinen zumindest die Einheimischen, eine gewisse Ähnlichkeit mit David Bowie aufweist.
Dabei wird der Amerikaner Steve Frost, der in »UFO In Her Eyes« eine Kette sonderbarer Ereignisse in Gang setzt, nicht von Bowie, sondern von Udo Kier verkörpert. Kurz vor dem Fund hatte die Dorfbewohnerin Yun Kwok am Himmel eine Art Ufo gesichtet. Steve Frost wiederum weiß selbst nicht recht, wie ihm geschieht, eher aus Verwirrung, denn aus Dankbarkeit, stellt er dem Dorf einen Scheck über 3.000 Dollar aus.
Dann geht alles ganz schnell: Die forsche Bürgermeisterin peitscht einen Fünf-Jahresplan zur Dorfentwicklung durch, Bulldozer rücken an und machen Bauernhäuser dem Erdboden gleich, Luxushotels sprießen aus dem Boden, ein Ufo-Vergnügungspark soll errichtet werden, ein chinesischer Milliardär wird empfangen und gibt den Motivationstrainer, Udo Kier kehrt zurück und singt auf dem Dorfempfang betrunken David-Bowie-Songs.
Eine Modernisierungsallegorie – und gleichzeitig eine zur Modernisierung querstehende Emanzipationsgeschichte, die an Xiaolu Guos Vorgängerfilm »She, a Chinese« anschließt: Yun Kwok nämlich weiß nicht so recht, wie sie sich zu den sich überschlagenden Ereignissen um sie herum verhalten soll.
Einerseits wird sie als Glücksbringerin hofiert, andererseits ist sie im nicht so ohne weiteres reformierbaren Sozialgewebe des Dorfes nach wie vor eine Außenseiterin: eine unverheiratete Frau mittleren Alters, die eine Affäre mit einem verheirateten Lehrer hat und von dessen Frau terrorisiert wird. Als Leidtragende einer rasanten, aber gewissermaßen ungleichzeitigen Entwicklung fühlt sie sich alsbald zu einem ausgesprochen schnieken Wanderarbeiter hingezogen, der auf der Dorfstraße Fahrräder repariert.
Der von Fatih Akin mitproduzierte Film basiert auf dem gleichnamigen Roman der Regisseurin. Sein ambitioniertes Strukturprinzip hat tatsächlich etwas romanhaft-Vielstimmiges: Guo erzählt ihre Geschichte aus verschiedenen, nur teilweise miteinander vereinbaren Perspektiven, selbst die Tiere des Dorfes bekommen gelegentlich eigene Point-of-View-Einstellungen.
»UFO in Her Eyes« sieht in einem Moment aus wie ein touristisches Werbevideo, im nächsten wie Agitprop-Politkino. Er konstruiert keine zusammenhängende Welt, sondern zeigt ganz im Gegenteil, wie die Moderne klassische und eben oft auch unterdrückerische Traditionen zersetzt.
Ufo in Her Eyes D/F 2011, R: Xiaolu Guo, D: Shi Ke, Udo Kier, Mandy Zhang, 110 Min.