»Leb wohl, meine Königin!« von Benoît Jacquot

Im Juli 1789 kennt sich am Hof von Versailles niemand mehr aus. Gerüchte machen die Runde, hier und dort Aufgeschnapptes und Abgelauschtes wird weitergegeben, Halbwahrheiten zirkulieren. Was geschieht in Paris? Das Volk stürmt die Zollämter und die Bastille? Wird es nach Versailles marschieren? Einige Höflinge beginnen, ihre Koffer zu packen, andere beschließen, auszuharren. Nicht einmal der König weiß so recht, was vor sich geht. 

 

Die unüberschaubare Situation dient dem französischen Regisseur Benoît Jacquot als Hintergrund für seinen neuen Film »Leb wohl, meine Königin!«. Es gelingt ihm, den historischen Augenblick so in Szene zu setzen, dass sich die Ungewissheit überträgt. Die Französische Revolution ist in diesem Film ein Ereignis mit offenem Ausgang – und etwas, das man nie direkt zu Gesicht bekommt, da der Film, von den letzten Szenen einmal abgesehen, ausschließlich am Hof von Versailles spielt.

 

Jacquot hat zum Teil am Originalschauplatz drehen können, zum Teil hat er Säle und Zimmer in anderen Schlössern nachgebaut. Prunk und Schmutz, der gleißende Spiegelsaal und die stickigen Dienstbotenquartiere, prächtige Roben und von Mücken zerstochene Haut sind immer nur einen Schnitt voneinander entfernt. Sie sind wie Vorder- und Rückseite des Ancien Régime.

 

Im Mittelpunkt der Handlung steht die junge Sidonie (Léa Seydoux), die Vorleserin der Königin Marie Antoinette (Diane Kruger). Fast wie in einem Lehrstück von Brecht (wenn auch mit mehr Lust am Luxus) erkundet Jacquot ihre gesellschaftliche Stellung und den ihr innewohnenden, zentralen Widerspruch: Die junge Frau ist als Dienerin der Königin treu ergeben und nimmt als Bedrohung wahr, was vor den Toren von Versailles geschieht, dabei dient der revolutionäre Aufbruch doch den Interessen ihrer Klasse.

 

Die Königin wiederum agiert mal launenhaft, mal hintertrieben. Schließlich spinnt sie eine Intrige, um ihre Geliebte Gabrielle de Polignac (Virginie Ledoyen) außer Gefahr zu bringen. Sidonie kommt dabei nolens volens eine Schlüsselrolle zu. Sie spielt sie mit Bravour und Todesverachtung.