»Worte und Farben passen einfach nicht zusammen«

Amour fou im Ferienlager: Wes Anderson über »Moonrise Kingdom«,

seine Zeit als Pfadfinder und seinen Lieblingsschauspieler Bill Murray

StadtRevue: Echos aus der Kindheit sind in vielen Ihrer Filme präsent. Was hat Sie dazu bewegt, sich mit »Moonrise Kingdom« direkt auf eine Geschichte mit zwei Kindern als Hauptfiguren einzulassen?

 

Wes Anderson: Ich wollte seit Langem einen Film über eine Romanze zwischen zwei Kindern drehen, in der die beiden ihre Liebe zueinander so ernst nehmen, dass die Erwachsenen nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Die Eltern sind geschockt, weil sich die Kinder mit ihren radikalen Emotionen ihrer Kontrolle entziehen. Ich hatte mich einfach in die Idee verliebt, dass die beiden zusammen ausreißen und ihr Glück selbst in die Hand nehmen. 

 

Wie riskant ist es, einen Film auf die Schultern zwei so junger,
unbekannter Schauspieler zu legen?

 

Die Arbeit mit Kinderdarstellern ist für mich nicht einfacher oder schwerer als mit erwachsenen Schauspielern. Das Schwierige ist, das richtige Kind für die Rolle zu finden. Wir haben ein Jahr lang an Schulen überall im Land nach unseren Hauptdarstellern gesucht. Die beiden hatten ein wenig Schultheater gemacht, aber noch nie in einem Film mitgespielt. 

 

»Moonrise Kingdom« spielt im Pfadfindermilieu.
Waren Sie als Kind bei den Pfadfindern?

 

Ich war etwa vier Monate dabei, habe es jedoch nicht geschafft, mir irgendein Abzeichen zu verdienen. Es hat mir Spaß gemacht, aber ich war einfach nicht sonderlich begabt in diesen Dingen.

 

Ist das der Grund, warum Sie die Pfadfinder in Ihrem Film mit dieser ungewöhnlichen Mischung aus Ironie und Respekt betrachten?

 

Ich mag schon allein den Ausdruck »Pfadfinderbewegung« – das hört sich doch ungeheuer altertümlich und bedeutungsvoll an. Es stimmt natürlich, dass man bei dem Wort Pfadfinder nicht gleich an jemand wie James Dean denkt. Es ist sicher nicht das Coolste, das man als Jugendlicher machen kann. Aber eigentlich ist es eine gute Sache. Wenn man sich bei den amerikanischen Pfadfindern auf der Leiter ganz nach oben zum »Eagle Scout« hocharbeiten will, muss man schon einiges leisten. Bill Clinton und eine Menge anderer beeindruckender Persönlichkeiten waren Eagle Scouts. Selbst dem coolsten Sänger in einer Punkband flößt ein echter Eagle Scout Respekt ein. Das sind Leute, die als Teenager Dinge gelernt haben, die wir heute einfach nicht mehr drauf haben.

 

Warum haben Sie die Geschichte in den 60er Jahren angesiedelt?

 

Das war keine durchdachte, konzeptionelle Entscheidung. Am Anfang des Films stand das Musikstück »The Young Person’s Guide to the Orchestra« von Benjamin Britten und die Stimme des Jungen, der auf dieser Schallplatte die Musik und das Orchester erklärt. Daraus hat sich die Geschichte langsam entwickelt und weil diese Musik und der Klang dieser Stimme aus den 60ern stammen, bin ich auch mit meiner Erzählung in dieser Ära gelandet. Erst später, als ich die Geschichte drum herum gebaut hatte, habe ich festgestellt, wie gut dieses Setting dazu passt. Die Insel etwa, auf der die Geschichte spielt, war bis Mitte der 60er eine Sommerkolonie. Dann haben sie eine Brücke zum Festland gebaut, und heute ist es eigentlich gar keine Insel mehr, sondern eine Vorstadt von Newport. Der Film zeigt somit auch ein Stück von Amerika, das heute nicht mehr existiert.

 

Ihre Filme zeichnen sich durch eine Unmenge sorgfältig ausgewählter Details aus. Wie entwickeln Sie Ihre Setkompositionen?

 

Sobald ich eine Grundidee für einen Film habe, beginne ich mit dem Sammeln von Details, von denen ich denke, dass sie zum Film passen. Diese Kollektion von Details habe ich während der Entwicklung des Filmes sozusagen ständig griffbereit neben mir stehen, um einzelne Dinge einarbeiten zu können. Dann gibt es bei der Entwicklung des Films auch immer Leerstellen, für die man sich etwas ganz Neues einfallen lassen muss. Nach dem Haus, in dem das Mädchen mit seiner Familie wohnt, habe ich sehr lange gesucht. Ich hatte die Vorstellung, dass es eines dieser Häuser sein sollte, in dem man auf dem Dachboden geheimnisvolle Dinge entdecken kann. Letztlich besteht das Haus nun aus zwei Häusern. Die Fassade haben wir auf Rhode Island gefunden und für die Innenräume haben wir ein Haus nachgebaut, das wir in Georgia entdeckt haben.

 

Die Farbauswahl spielt in Ihren Filmen auch eine große Rolle.
In »Moonrise Kingdom« ist Gelb die dominante Farbe. Warum?

 

Ich lebe in Gelb. Meine ganze Wohnung ist gelb gestrichen. Aber ich habe immer das Gefühl, dass Worte und Farben einfach nicht zusammen passen. Ich kann beim besten Willen nicht erklären, warum ich diese oder jene Farbe benutze. 

 

Seit »Rushmore« ist Bill Murray in großen oder kleinen Rollen
in jedem Ihrer Filme zu sehen. Ist Bill Murray Ihre Muse?

 

Ich bin ein großer Fan von Bill Murray. Egal was er spielt, es kommt immer etwas irgendwie Großartiges dabei heraus. Auf ihn kann man sich vollkommen verlassen. Wenn man sich vorstellt, dass auf der Straße irgendein Mob alles kurz und klein schlägt, dann wäre Bill Murray einer der wenigen Menschen, zu dem man sagen könnte: »Kannst du bitte diesen Mob aufhalten?« Die Chancen stünden gut, dass er es schafft.