Beobachtete Beobachter

Mehr als ein Krimi: »Police, adjective« von Corneliu Porumboiu

Drei Jugendliche stehen in einem Innenhof und rauchen einen Joint. Die Kamera filmt sie aus einigem Abstand durch einen Drahtzaun hindurch, so wie aus der Perspektive eines Beobachters. Nach einer Weile verschwinden die Jugendlichen, die Kamera schwenkt zur Seite und der Beobachter, dessen Blick wir gerade noch zu teilen meinten, tritt ins Bild.

 

Das Filmbild wird zur Beobachtung von Beobachtung, zur Beobachtung zweiter Ordnung. Kippfiguren dieser Art tauchen immer wieder auf in »Police, adjective«, dem zweiten Spielfilm des Rumänen Corneliu Porumboiu: Die Kamera vermittelt ohne Schnitt zwischen subjektiver und objektiver Perspektive und gleichzeitig wird der Beobachter zum Vermittler zwischen dem Kamerablick und der dargestellten Welt, dem sozialen Gefüge des postkommunistischen Rumänien.

 

Der beobachtete Beobachter ist Cristi, ein junger Polizist. Einer der drei Jugendlichen ist sein Informant, einem anderem gilt der Einsatz. Letzterem  drohen mehrere Jahre Haft, da in Rumänien nicht nur der Handel, sondern auch der Konsum von Marihuana strafbar ist. Cristi möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass das Leben des Jungen wegen ein paar fröhlicher Minuten während der Unterrichtspausen zerstört wird.

 

Trotz der einfachen Geschichte geht es in »Police, adjective« um nichts weniger als um das große Ganze, und zwar auf einer basalen Ebene: der der sprachlichen Semantik. Wichtig ist im Film die Frage danach, wie sich Sprache zur Welt verhält, wie mit ihr Dinge und Orte bezeichnet werden und vor allem, welchen Regeln sie folgt, welche Regeln sie vielleicht auch durchsetzt.

 

Es geht unter anderem um die Poesie in einem populären Liebeslied, um »negative, pronominale Adjektive« und in einer langen, gleich-zeitig urkomischen und ernüchternden Sequenz um die Erdung von Polizeiarbeit und individuellen Moralvorstellungen in Lexikondefinitionen – und zwar an der Stelle, an der in anderen Filmen der Showdown wäre.

 

Im erweiterten Sinne geht es darum, dass die rumänische Gesellschaft über ihr auch zwanzig Jahre nach Ceausescu keineswegs gefestigtes Selbstverständnis nachdenkt. Mit den Mitteln der Komödie und des Genrekinos konstruiert Porumboiu Bilder, die jenseits bloß vermittelnder Formen wie der Allegorie das politische Substrat der rumänischen Gesellschaft gewissermaßen direkt enthalten.