Wie aus dem Bilderbuch

Der Rapper und Filmemacher Plan B will dem

Londoner Subproletariat ein Gesicht verleihen

 

Vielleicht war es die Abwesenheit eines Programms, das eine breite Sympathie mit den letztjährigen Riots in England verhinderte. Unter den Kapuzenpullis fehlten die Gesichter, die einen Aufstand von einem Ereignis zu einer Geschichte machen. Der Rapper Plan B alias Ben Drew hat das passende Gesicht – bleich, verlebt, von schlechter Ernährung zeugend. Viel hätte nicht gefehlt, dann wäre der 28-Jährige selber einer der Rioter gewesen. In der zehnten Klasse flog er von der Regelschule, landete in einer Einrichtung für Schwererziehbare und fing an zu rappen. Nach zwei Alben und mit seinem ersten Spielfilm ist Plan B der schwerreiche Star einer selbstbewussten Unterschicht geworden. 

 

Vom Schulabbrecher zum Millionär – eine Karriere wie aus einem Strategiepapier von New Labour. Und Plan B lässt nichts aus. Er kauft sich teure Anzüge, und die Tabloids lieben seinen prolligen Charme, wenn sie ihn mit Celebrities beim Rauchen vor dem Mahiki Nightclub, der ersten Partyaddresse für Londons Oberschicht, knipsen können. Dass er eigentlich nicht dazu gehört, ist sein größtes Kapital. So kann er der linksliberalen Mittelklasse erklären, wie es sich in der Unterschicht so lebt: »Wir hatten das Gefühl, die Gesellschaft interessiert sich nicht für uns«, schildert er den prägenden Eindruck seiner Jugend auf einer komplett überfüllten Veranstaltung der Zeitung The Observer. »Also haben wir uns von Rappern, die wir nie im Leben treffen würden, erziehen lassen.«

 

Heute ist er selber einer dieser Rapper. Aber anders als die Vorbilder seiner Jugend lässt er sich im Londoner Osten blicken. Für seinen Film »Ill Manors« hat er Jugendliche von dort als Schauspieler gecastet. Der Film beschreibt sechs Charaktere aus der Nähe von Manor Park im Stadtteil Newham, einem Bezirk voller Gegensätze. Hier liegen die Sportanlagen für Olympia 2012, inmitten des zweitärmsten Bezirks Londons, mit einer Kinderarmut von über vierzig Prozent. In Newham »Ill Manors« zu drehen ist angewandte Sozialarbeit, die der britische Staat nicht mehr leisten will. Plan B weiß das, mit einer Stiftung will er den Abgehängten zumindest ein wenig Teilhabe ermöglichen.

 

Trotzdem ist »Ill Manors« ein ambivalentes Projekt. Im März erreichte das Titelstück des Soundtracks die UK-Top Ten, der Guardian nannte es »den wichtigsten britischen Protestsong seit Jahren«. Über einem Schostakowitsch-Sample schleudert Plan B seinen Hörern alle Medienklischees über die Unterschicht entgegen, bevor er mit einem lauten »Oi!« die Rockgitarre auspackt. Ein Protestsong aus dem Bilderbuch, dem die überkomplexen Rhythmen und die zwischen Gerissenheit und Angebertum pendelnden Reime von Grime und UK HipHop vollkommen abgehen. So ist das eben mit der Unterschicht: Man stellt sie sich als wütende junge Männer vor. Und Plan B gibt uns, was wir hören wollen.