Blutige ­Essstäbchen

Das Theater im Bauturm serviert Roland Schimmelpfennigs Der Goldene Drache

Um die Darstellung von Migranten machen deutschstämmige Dramatiker gerne einen Bogen. Das Schlagwort von der Authentizität dient oft als Entschuldigung. Roland Schimmelpfennig bildet da eine Ausnahme und bringt in seinem Stück »Der Goldene Drache« die Betreiber eines asiatischen Imbisses auf die Bühne. Doch nicht nur sie. 

 

In bekannter Schimmelpfennig-Manier lässt er die Bewohner eines ganzes Hauses aufmarschieren: Es geht um die Zahnprobleme eines Asiaten, der seine Schwester sucht; um zwei Stewardessen, die im Restaurant essen; um einen Kioskbesitzer, der eine Asiatin wie eine Sklavin gefangen hält; um ein Paar, das sich gerade trennt; um eine junge Frau, die schwanger geworden ist, mit ihrem Freund streitet und sich mit ihrem Großvater berät. Und auf metaphorischer Ebene um die auf Äsop und la Fontaine zurückgehende Fabel von der Grille und der Ameise. 

 

Schimmelpfennig verzahnt die Vorgänge nicht nur kunstvoll, sondern lässt die Rollen der Figuren sowohl in Cross-Gender- und Cross-Age-Besetzung spielen. Ein Verfahren, das die Spielvorgänge auf elegante Weise sichtbar macht, ohne den Plot zu unterlaufen.

 

Im Theater im Bauturm gelingt die Umsetzung mit viel Leichtigkeit. Till Brinkmann, Eva Horstmann, Kai Hufnagel, Rebecca-Madita Hundt und Manuel Moser tragen rote Schürzen und Schlagzeugstöcke, die als Instrument, als Essstäbchen oder als Messer zum Einsatz kommen. Gekonnt wechseln sie zwischen den zahlreichen Rollen hin und her, kleine gestische Zeichen wie ein aufgeworfener Schmollmund bei der jungen Frau oder die Gehhilfe beim Großvater genügen zur Kennzeichnung der Figuren. 

 

Regisseur Rüdiger Pape forciert die epischen Spielelemente über die Vorlage hinaus: Da fordern sich die Darsteller auf, Stellen nochmals zu spielen oder äußern sich kritisch über die Glaubwürdigkeit von zwei Männern als Stewardessen. Das sorgt auf der Lattenbühne, die wie das Knochengerüst eines Drachen (Bühne: Flavia Schwedler) aussieht, zwar für viel unterhaltsame Virtuosität; manchmal allerdings kommt das drastische Geschehen um den illegalen jungen Asiaten, dessen Schwester die Frau ist, die der Kioskbesitzer gefangen hält, etwas arg leichtgewichtig rüber.

 

Zum Beispiel wird dem Jungen in einer fast absurden Gruppenaktion mit der Rohrzange der Zahn gezogen (an dem er verblutet) und lediglich ein rotes Seidenband  zieht sich über die Bühne, als Zeichen für das Blut. Nichtsdestotrotz eine sehr gute Adaption durch ein spielfreudiges und sich seiner Mittel sicheren Ensembles.