Die illegalen Downloads von gestern

Kopieren und Kopiertwerden:

Der Künstler Hendrick Goltzius und seine Zeit

Inmitten einer medialen Revolution erblickte Hendrick Goltzius 1558 das Licht der Welt. Parallel zum Buchdruck eroberte der Kupferstich im 15. Jahrhundert die Kunstwelt.

 

Plötzlich ging alles blitzschnell. Drucke kopierter Gemälde rasten geradezu durch Europa. Was zuvor auf Reisen erkundet werden musste, kam nun ins Haus: Kunde vom Stil der Anderen, von unbekannten Techniken, ja einem gänzlich anderen Selbstverständnis. Just zu Goltzuis Schaffenszeit erhob der habsburgische Kaiser Rudolf II. die Malerei in den Rang der freien Kunst. Man war nun offiziell auf Augenhöhe mit den Italienern.

 

Jenen historischen Moment fixiert die Ausstellung »Artisten der Linie – Hendrick Goltzius und die Graphik um 1600«. Von seinen Vorbildern wie Dürer, van Leyden und Cort bis zu seinen Nachfolgern wie Jan Muller oder Jan Swarendem zieht sich nicht nur eine Spur künstlerischer Entwicklung.

 

Man erkennt Goltzius Stärke der klaren und präzise gestaffelten Linienführung, welche ungeahnte Plastizität ins Werk brachte. Mit dieser Kunstfertigkeit prägte er die niederländische Schule des Manierismus, der sich im Kupferstich weniger durch gedehnte Gliedmassen, sondern als exzentrische Perspektiven und Überhöhung körperlicher Details auszeichnete.

 

Noch musste man den Italienern beweisen, daß man sehr wohl Figuren darstellen konnte! Goltzius’ eigene, recht späte Italienreise zeigt sich in den verfeinerten Antlitzen der nun großäugigen Damen mit spitzem aber fliehenden Kinn.

 

Doch ebenso lassen sich die Begriffe: Inspiration, Variation und Kopie durchdeklinieren. Während Goltzius stets die Schöpfer der kopierten Originale übertreffen wollte, florierte an anderer Stelle der Handel mit illegalen Drucken.

 

Beides ist zu sehen und erinnert enorm an die Folgen der medialen Revolution unserer Tage, an Urheberrechtsdebatten, illegale Downloads oder Samplingprozesse. Das Kunstverlagswesen war eine Folge jener Problematiken, zu bändigen waren sie dennoch nie.

 

Aber die Ausstellung ist nicht alleine für Piraten sehenswert. Sie präsentiert die enorme Schenkung von 108 Arbeiten des Berliner Sammlers Christoph Müller an das Wallraf-Richartz-Museum. Sie ist eine Geste kultureller Zuwendung.

 

Es braucht vielleicht ein paar Momente, den Widerstand der ungewohnten Langsamkeit zu überwinden, die einem die Betrachtung dieser Werke auf angenehm rostroten und grünen Wänden abverlangt. Aber man wird belohnt von einer Spannung des Details, bald greift man zu den bereitgestellten Lupen und versinkt in einer neuen Zeit.