»Man kann kein Symbol spielen«

Kapitalismus intim: David Cronen­berg über seine Don DeLillo-Verfilmung

Cosmo­polis, Spontaneität beim Dreh und Hauptdarsteller Robert Pattinson

StadtRevue: Im Mittelpunkt von »Cosmopolis« steht ein milliardenschwerer Vermögensverwalter. Der gleichnamige Roman von Don DeLillo erschien 2003, also noch vor der großen Banken- und Wirtschaftskrise. Mussten Sie Dinge ändern, die nicht mehr zeitgemäß waren?

 

David Cronenberg: Die einzige Änderung, die ich deswegen vorgenommen habe, war den Yen durch den Yuan als Wäh­rung zu ersetzen, mit der der Protagonist spekuliert. Seit der Veröffentlichung des Buches ist Japan als Macht zusammengebrochen, wäh­rend jeder weiß, dass China die Zukunft gehört. Noch ist der Yuan nicht frei handelbar, es gibt allerdings Vorhersagen, dass er 2015 den Dollar als Weltwährung ablösen wird. Aber generell gesagt: Der Film soll nicht prophetisch sein, wir machen ja keine Dokumentation. Es geht um Figuren, die echte Menschen sein sollen, und nicht um Symbole der Wall Street oder des Kapitalismus’.

 

Ganz sicher nicht?



Man kann nicht zu einem Darsteller sagen: Du sollst ein Symbol des Kapitalismus’ spielen. Wie soll das gehen? Stattdessen sagt man: Du spielst einen Mann, der gerade geheiratet hat, der aber seine Frau nicht versteht. Die Figuren müssen reale Menschen sein. Wenn Sie als Journalist dann anschließend den Film analysieren, ist das natürlich etwas anderes. Aber während des Drehs geht es nicht um abstrakte Konzepte. Man muss spezifisch sein.

 

Aber die Dialoge im Film haben wenig mit Alltagssprache zu tun.
Da Sie sie wörtlich von Don DeLillo übernommen haben, wirken sie sehr literarisch.

 

Ja und nein. Mir kommen sie wie Dialoge aus einem Stück von Harold Pinter vor. Das heißt, sie basieren auf Beobachtungen der Realität und doch sind sie stilisiert. Ich mag an ihnen, dass sie gleichzeitig real und surreal sind. Für jeden Film gilt doch: Wir wissen, dass hier Schauspieler Rollen spielen, es muss immer eine Mitarbeit des Publikums an der Außerkraftsetzung des Zweifels geben.

 


Ihre letzten beiden Filme sind sehr dialoglastig. Was interessiert Sie als
visuell denkender Regisseur an so einem wortreichen Kino?

 

Es gibt Regisseure, die haben überhaupt keinen Sinn für Bildkomposition, dafür sind sie vielleicht gut bei der Arbeit mit den Schauspielern. Da sie dem Kameramann alles andere überlassen, sieht jeder ihrer Filme anders aus. Als ich begann, Filme zu machen, wusste ich noch nicht, was für ein Regisseur ich sein würde. Ich merkte dann aber sehr schnell, dass ich ein Gefühl dafür habe, welche Einstellung richtig ist und welche falsch. Trotzdem sind in allen meinen Filmen auch die Dia­loge außerordentlich wichtig. Da meine frühen Werke billige Horrorfilme waren, standen allerdings in der Außenwahrnehmung mehr die Spezialeffekte im Vordergrund. Ich hatte auch nicht so viel Zeit, um mit den Schauspielern zu arbeiten. Die Produzenten sagten einfach: »Du hast 15 Minuten diese drei Seiten Dialog zu drehen. Wie du das machst, ist egal, aber du hast nur 15 Minuten.« Für mich besteht Kino also nicht nur aus Bildern. Kino besteht aus vielen Elementen.

 

Können Sie trotzdem etwas zu der Zusammenarbeit mit ihrem
langjäh­rigen Kameramann Peter Suschitzky sagen?

 

Wir arbeiten sehr ähnlich. Ich probe nicht mit den Schauspielern und plane auch nicht viel im Voraus. Ich mag es nicht, an einen Film mit einem übergeordneten visuellen Konzept heranzugehen, das ich dann dem Material aufzwinge. Etwa eine Szene wie auf einem Gemälde von Rembrandt auszuleuchten, weil der Film zur Zeit Rembrandts spielt. Die Gestaltung entsteht bei mir spontan während des Drehs. Natürlich muss der Kameramann die richtigen Lampen anfordern und solche Sachen. Aber erst wenn wir die erste Einstellung drehen, wissen wir genau, was wir machen werden. Zum Beispiel: Welches Objektiv benutzen wir? Okay, lass uns zuerst eine Nahaufnahme von Robert machen. Benutze ich dafür eine traditionelle 50mm-Linse und gehe relativ weit weg? Oder gehe ich näher ran mit einem 18mm-Weitwinkel? Das verzerrt aber das Gesicht – Terry Gilliam benutzt übrigens sogar 14mm-Objektive –, dadurch wird das Bild zur Karikatur. Das mag ich nicht. Also gehen wir weiter zurück, was bei einem Dreh in einem Auto schwierig ist. So »erfühlt« man sich nach und nach einen Weg.


 

Der Innenraum der Limousine, in der »Cosmopolis« vorwiegend spielt,
wirkt fast wie eine Raumkapsel.

 


Oder wie ein Sarg oder ein Bunker, der vor der Außenwelt schützt. Unser Protagonist hat sich eine eigene Welt geschaffen, in der er gefangen ist. Wir haben uns vorher »Das Boot« und »Lebanon« angeschaut, der ganz in einem israelischen Panzer spielt. Das fordert die eigene Kreativität heraus, interessante Lösungen zu finden.

 


Robert Pattinson ist mit einer Vampirrolle berühmt geworden, in »Cosmopolis« spielt er eine ganz andere Art von modernem Blutsauger, der aus seinem Limousinen-»Sarg« steigt. Arbeiten Sie mit solchen Assoziationen über Filmgrenzen hinaus?

 


Nein, im Gegenteil, ich muss sie ignorieren. Paul Giamatti, der ebenfalls eine wichtige Rolle in »Cosmopolis« spielt, hat in vielen Filmen mitgemacht. Wer »Sideways« liebt, wird ihn als die Figur sehen, die er darin spielt. Macht mir das Sorgen? Das darf es nicht. Die Vergangenheit von Robert ist nur insofern wichtig, als dass sein Ruhm uns ermöglicht hat, den Film zu finanzieren. Ende der Geschichte. Sobald wir mit dem Dreh angefangen hatten, waren seine und meine anderen Filme verschwunden.