Filmförderung von unten

Basisdemokratie oder Nerd-Diktatur?

Crowdfunding wird für Filmproduktionen immer wichtiger – auch in Köln

Der finnische Sci-Fi-Trash-Strei­fen »Iron Sky« über Nazis im Weltall sorgte auf der diesjährigen Berlinale nicht nur wegen seines Themas für Furore, sondern auch wegen der Art seiner Finanzierung. War Crowdfunding bis vor einem Jahr vor allem dem internetaffinen Teil der Bevölkerung ein Begriff, ist die Kulturförderung durch sogenannte Mikromäzene mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen.

 

Das Prinzip: Kreative aller Sparten werben auf Crowdfunding-Plattformen im Internet um finanzielle Unterstützung für ihre Projekte. Interessierte zahlen von vorgegebenen Kleinstbeträgen an aufwärts, was ihnen die Sache wert ist, und bekommen dafür ein Dankeschön. Bei Filmproduktionen reicht das in der Regel von der DVD bis zur Nennung im Abspann oder Vergabe einer Komparsenrolle.

 

Wird die für die Produktion erforderliche Summe bis zu einem festgesetzten Datum nicht erreicht, erhalten die Unterstützer ihr Geld zurück. Statt über Förderanträgen zu brüten zählen beim Crowdfunding Pflege und Ausbau der Community – per E-Mail, Face­book, Twitter, Blog oder altmodische, persönliche Gespräche im Freundes- und Bekanntenkreis.

 

40% der Projekte werden finanziert

 

In Amerika ist Crowdfunding bereits etabliert. Auf der Plattform Kickstarter konnten etliche Pro­jek­te die Millionenmarke knacken. Aber auch hierzulande nimmt Crowdfunding zu. Startnext, die größte deutsche Plattform, konnte in den knapp zwei Jahren ihres Bestehens rund 900.000 Euro einsammeln und 235 Projekte fördern. Die Erfolgsquote liegt bei 40 Prozent.

 

Filmproduktionen bilden den Löwenanteil. Auf sämtlichen deutschen Plattformen haben sich bislang 250 Filmprojekte um die Unterstützung der Internetgemeinde beworben. Die Bestmarke hält bislang »Bar 25«: Rund 27.000 Euro konnten für die Dokumentation über den legendären Berliner Club auf Inkubato gesammelt werden.

 

Für den auf der Berlinale gelaufenen Dokumentarfilm »This Ain’t California« von Marten Persiel über Skater in der DDR kamen 10.000 Euro zusammen. Ein abendfüllender Film lässt sich davon allerdings auch bei Selbstausbeutung des Teams nicht produzieren. Anders als in den USA geht es hierzulande – abgesehen von Kurzfilmen – beim Crowdfunding um eine Ergänzung zu Sponsoren- und Fördergeldern.

 

Chance für extravagante Projekte

 

Auch die Kölner Regisseurin Maike Brochhaus wirbt auf Startnext um 10.000 Euro. »Häppchen­weise« heißt ihr Post-Porno-Experiment, mit dem sie die Grenze zwischen Sex- und Kunstfilm aufweichen will. »Wir sind eine freie, unabhängige Produktion und wollen das auch gerne bleiben. Deswegen haben wir den Weg des Crowdfundings gewählt«, so Broch­haus. Wirkliche Alternati­ven gäbe es auch kaum, öffentliche Fördertöpfe bleiben derartigen Produktionen verschlossen.

 

Claudia Rorarius’ Spielfilmdebüt »Chi l’ha visto« wurde zwar auf internationalen Festivals gezeigt, für einen Kinostart reichte das Budget aber nicht aus. Und die Filmförderung bezweifelte die Chancen an den Kinokassen. Deshalb warb die Absolventin der Kölner Kunsthochschule für Medien auf Startnext um 8.000 Euro für den Kinostart.

 

Mit Erfolg: »Das Interesse war enorm und auch die Identifikation mit dem Film war eine völlig andere. Eine tolle Erfahrung.« Partizipation sei die Hauptmotivation für Crowd­funder, sagt Anna Theil, Sprecherin von Startnext: »Die Unterstützer wollen dabei sein. Ob am Set oder beim Event, entscheidend ist die Beteiligung.«

 

 

Die amerikanische Plattform Kickstarter will in diesem Jahr mehr Kulturprojekte fördern, als die staatliche Stiftung National Endowment for the Arts. Yancey Strickler, Gründer von Kickstarter, rechnet mit 150 Millionen Dollar. Deutsche Plattformen sind von solchen Summen weit entfernt. Das liegt an den unterschiedlichen Traditionen der Kulturförderung. »In den USA werden 90 Prozent der Kultur privat gefördert und nur 10 Prozent öffentlich. In Deutschland ist es genau umgekehrt«, sagt Anna Theil.

 

Kulturförderung der Vielen

 

Dass es für den Einzelnen eine bereichernde Erfahrung sein kann, kreative Projekte zu unterstützen, beginne sich hierzulande erst langsam herumzusprechen. Crowdfunding wolle nicht weniger, als eine Veränderung des Kulturkonsumverhaltens voranzutreiben. Statt an der Kinokasse bloß ein Ticket zu lösen, gehe es darum, Kultur aktiv zu unterstützen und ihren Entstehungsprozess zu begleiten.

 

Die klassischen Förderwege könne und wolle Crowdfunding hierzulande aber nicht ersetzen, sondern ergänzen, so Theil: »Öffentliche Förderung hat einen politischen Auftrag. Daran ändert Crowdfunding nichts.« Crowdfunding sei eine Alternative für Nischenprojekte, die durch die inhaltlichen oder bürokratischen Raster der Förderanstalten fallen. Dass aber auch die das Thema zumindest interessiert ver­folgen, zeigte sich im Juni beim Internationalen Filmkongress der Film- und Medienstiftung NRW in Köln, bei dem über Crowdfunding diskutiert wurde.

 

Ob sich Crowdfunding tatsächlich zur basisdemokratischen Ergänzung gängiger Fördermechanismen entwickelt oder vor allem den Notstand schrumpfender Kulturförderung bemäntelt, bleibt abzuwarten. Crowdfunding soll Filmschaffende unabhängiger machen – aber tauschen Filmemacher die Erwartung von Förderern, Redakteuren und Sendern nicht gegen den Erwartungsdruck ihrer Community? Gerade bei Dokumentationen kann das zum Problem werden. So bleibt »Bar 25« neben seinen bunten Bildern vor allem durch fehlende kritische Distanz zu seinem Thema in Erinnerung.

 

Auf Kickstarter gehen die größten Summen an Nerd-, Fan-, und Trashfilme. »BronyCon«, eine Dokumentation über die Fankultur zur Fernsehserie »Mein kleines Pony«, konnte statt der anvisierten 60.000 Dollar über 320.000 Dollar einsammeln. Dass über Kickstarter aber auch queere Filmprojekte oder ein Porträt über den Zeichner Tomi Ungerer ange­schoben werden, mag die, die der Kulturförderung der Vielen skeptisch gegenüberstehen, jedoch ein wenig optimis­tischer stimmen.