Waldschrat wider Willen

Romantische Komödie: Fast verheiratet von Nicholas Stoller

Zumindest bevor er letztes Jahr »Brautalarm« produzierte, wurde Judd Apatow, der vielleicht wichtigste Erneuerer der amerikanischen Filmkomödie, ein Genderproblem unterstellt. Dabei sind zwar zweifellos viele Apatow-Filme Jungsfilme, aber nur in dem Sinne, dass sie in ihren Protagonisten das Unfertige, das noch-nicht-Männliche zu bewahren oder wiederzufinden versuchen. So auch in »Fast verheiratet«.

 

Apatow ist diesmal nur als Produzent dabei, die Regie hat Nicholas Stoller übernommen, der in den letzten Jahren mit »Nie wieder Sex mit der Ex« und »Männertrip« schon zwei – ihren deutschen Titeln zum Trotz – außergewöhnlich schöne Komödien inszenierte.

 

Am Anfang leben Tom (Jason Segel) und Violet (Emily Blunt) glücklich gemeinsam im ent­spann­ten San Francisco. Tom macht Violet einen spielerisch missglückten Heiratsantrag, dem Eheglück scheint nichts im Weg zu stehen. Doch dann nimmt Violet eine Uni-Stelle im kalten Michigan an. Tom findet dort lediglich in einem Sandwichladen Arbeit, auch in anderen Lebensbereichen muss sein maskulines Selbstverständnis Federn lassen.

 

Es fällt Tom nicht leicht, den Erwartungen ans eigene Geschlecht nicht zu entsprechen. Aber gleichzeitig weiß er, dass genau diese Erwartungen, die eigenen und die der anderen, schuld sind an seiner Misere. Als Kompensation wird er Jäger und lässt sich einen der absurderen Bärte der jüngeren Filmgeschichte stehen.

 

Jason Segel ist, mit seinem mas­siven, stets etwas ungelenken Körper und seinem offenen, grundguten Gesicht, vielleicht noch mehr als die anderen Apatow-Entdeckungen Jonah Hill und Seth Rogen, ein ungewöhnlicher, fast ein unwahrscheinli­cher Hollywoodstar.

 

Großartig, wie er in »Fast verheiratet« zu seiner eigenen Verletzlichkeit steht, wie er ohne zu chargieren psycho­lo­gi­sche und auch körperliche Demü­tigungen (schmerzhafte Kol­li­sio­nen mit Hydranten oder Ohrfeigen mit Lebensmitteln) einsteckt, wie er seine Neurosen mit entwaffnender Ehrlichkeit artikuliert. Großartig, wie der Film Tom selbst in dessen Waldschratphase nicht die Würde nimmt.

 

Wie viele andere Apatow-Filme liebt auch »Fast verheiratet« alle seine Figuren: nicht nur Tom und Violet, sondern auch Toms sich notorisch unangemessen verhaltenden Arbeitskollegen Tarquin, Violets hysterische Schwester Suzie und den gesamten Sozialpsychologielehrstuhl der University of Michigan. Jeder kommt zu seinem Recht in diesem aus Prinzip menschenfreundlichen und zu den Rändern hin offenen Film.