Hausmeister des Grauens

Suspense-Meisterstück: Sleep Tight von Jaume Balagueró

Jaume Balagueró bleibt dem Grauen hinter den Fassaden spanischer Mehrfamilienhäuser treu: Im fulminanten Virus-Zombie-Schocker »Rec« (2007) und dessen Fortsetzung von 2009 bildete ein abgeriegelter Wohnblock den klaustrophobischen Rahmen für eine blutige Echtzeit-Hatz im hekti­schen Handkamera-Look.

 

Für die Inspektion der Gänge und Winkel eines hübschen Fin-de-siècle-Wohnhauses in »Sleep Tight« hat sich der Spanier für eine deutlich ruhigere Hand an der Kamera entschieden, auch das Tempo ist spürbar runtergeschaltet. Keine atemlosen Hetzjagden halten den Adrenalinpegel auf Niveau, vielmehr schleicht sich das Grauen auf jene unmerkliche Wei­se in das Geschehen, in der ein Mann mit allerschlech­testen Absichten unter fremden Betten lauert. Doch wehe, wenn er erst einmal hervorgekrochen ist!

 

Noch ein Unterschied: Haftete man bei »Rec« ganz an der Perspektive der gehetzten Opfer, zwingt Balagueró sein Publikum nun konsequent in die des Täters, des unscheinbaren und stets zuvorkommenden Portiers und Hausmeisters César (Luis Tosar).

 

Und der genießt einen nahezu grenzenlosen Einblick ins Leben der ihm anvertrauten Mietparteien: Marotten, Vorlieben, Wünsche und Ängste – alles liegt für ihn offen. Die gesammelten Schlüssel sichern jederzeit Zutritt zu den Apartments – und César weiß genau, wann die Bewohner aus dem Haus sind und welche kleinen oder größeren Gemeinheiten von ihm gewünschte Effek­te zeitigen.

 

Anfangs wirkt das noch wie eine schwarzhumorige Variante von »Das Leben der Anderen« im Stil einer spanischen Burleske. Reichlich unbehaglich wird die Ange­legenheit jedoch, als César mit Chloroform, einem präzise gestellten Wecker und viel Geduld sich ein Intimleben mit der jungen Clara (Marta Etura) erschleicht und systematisch deren Leben zum Einsturz bringt.

 

Fies, dieser Balagueró – und ziemlich geschickt. Als Zuschauer befindet man sich Fingernägel kauend nach einer Weile in der denkbar ungemütlichsten aller Positionen: Fiebert man tatsächlich mit einer Bestie mit? Das fragt man sich verdutzt, als César aufzufliegen droht und in verzweifelten, filmisch grandios umgesetzten, Manövern versucht, doch noch mit heiler Haut davonzukommen. Antwort: Und wie! Was für ein abgründiges Suspense-Meisterstück.