Ausgestellt lüstern

Sex- und Horror-Groteske: Guilty of Romance von Shion Sono

Izumis Leben ist eher uninteressant: Morgens kümmert sie sich darum, dass es ihrem Herrn Gemahl an nichts gebricht, damit er den lieben langen Tag mit dem Verfassen derb-erfolgreicher Erotica verbringen kann. Die restlichen Stunden verrinnen. Eigentlich ist Izumi weniger Gattin als Zofe – und erfährt die entsprechende Behandlung. Irgendwann wird es ihr zu viel. Sie will raus aus dem Hamsterlaufrad, raus aus dieser Psycho-S/M-Version einer Ehe. Sie will etwas erleben. Das tut sie dann auch – und mehr, als sie sich erwartet hat.

 

Erst lernt sie eine Fotografin kennen, die sich als Pornoproduzentin entpuppt, dann eine Akademikerin, die des Nachts als Edelnutte arbeitet. Izumi steigt voll ein in das Sexarbeiterinnenleben. Und dann ist da noch der irre Killer, der Frauenleichen mit Schaufensterpuppenteilen verziert, sowie eine sadomasochis­tisch-getriebene Polizistin, die auch so ihre Dämonen mit sich herumschleppt.

 

Hatten bei Shion Sonos »Love Exposure« (2009) noch alle Beteiligten die nötigen Nerven und brachten ihn in seiner vierstündigen Herrlichkeit in die Kinos, so wird »Guilty of Romance« (2011) jenseits Japans fast überall in einer internationalen Fassung vertrieben, die rund eine halbe Stunde kürzer ist als das knapp zweieinhalbstündige Original – aber nicht in Deutschland. Hier kommt er dank des Kölner Verleihs Rapid Eye Movies so heraus, wie sich der Regisseur das vorgestellt hat. 

 

Wie man schon bei »Love Exposure« und »Tsumetai nettaigyo« (2010) sehen konnte, geht es Sono weniger um eine geradlinig erzählte Geschichte als vielmehr um ein essayistisches Szenen- und Ideengewebe. Auch »Guilty of Romance« hat etwas von einem Netzwerk aus Serpentinen, in dem man auch schon mal im Kreis läuft oder ein Stück Strecke noch  einmal zurück legt. Man nimmt dieses dann aber anders wahr, wegen all der Dinge, die man zuvor gesehen und gehört hat.

 

Die Geschichte allein ist ein Anlass zum Fabulieren. Sono frönt einer angenehm enthemmten Erzähllust mit einem schönen Zug zum Vulgärmetaphysischen. Jenseits dessen: Spinnerte Farbgestaltung, breit ausgestellte Lüsternheit, Freude am Obszön-Grotesken, grandios krasse Sexszenen mit zunehmend überkandidelten Fetisch-Fisimatenten und ausnehmend ekelhafte Splattereinschübe lassen einen die Welt anders sehen und erfahren. Und darum geht man ja ins Kino: damit danach alles ein wenig anders ist, man selber eingeschlossen.